Rudi gibt Auskunft
kicker: Herr Völler, was macht Sie so sicher, dass Deutschland morgen das Halbfinale erreichen wird?
Rudi Völler: Weil wir körperlich in einer guten Verfassung sind. Weil wir das nötige Selbstvertrauen haben und den unbedingten Willen, nach so langer Zeit des Zusammenseins nun auch bis zum Schluss dieser WM dabei zu sein.
kicker: Ärgert es Sie, dass die USA, gemessen am Anspruch eines WM-Viertelfinales, als No-Name-Truppe abqualifiziert werden?
Völler: Es ist doch ein besonderes Markenzeichen dieser WM, dass etliche Teams im Viertelfinale stehen, die keiner auf der Rechnung hatte. Dazu gehören die USA und zum Teil ja auch wir, Senegal, Südkorea oder die Türkei. Wir müssen uns frei machen von dem Gedanken, dass es für gewisse Länder eine Selbstverständlichkeit ist, ins Viertelfinale zu kommen.
kicker: Seit dem Paraguay-Spiel haben Sie auf verschiedenen Positionen die Qual der Wahl. Vor allem im Abwehrzentrum. Kehl steht für eine bessere Spieleröffnung, Ramelow für eine auch taktisch stärkere Absicherung. Für wen werden sie sich entscheiden?
Völler: Erst einmal müssen wir abwarten, ob Metzelder fit ist. Klar ist, dass wir von Anfang an die Initiative ergreifen müssen. Gegen Paraguay und Kamerun haben wir zu verhalten begonnen. Wir müssen unser Spiel besser eröffnen und entschlossener nach vorne treiben. Mal abwarten, welche personelle Lösung wir hierfür finden werden.
kicker: Ist die momentane Situation vergleichbar mit 1986, als Sie mit der Nationalelf über relativ namenlose Gegner wie Marokko und Mexiko im Achtel- und Viertelfinale weiter gekommen sind?
Völler: Der Weg ist vielleicht ähnlich. Doch in der Gruppe haben wir uns diesmal als Erster besser durchgesetzt. Gegen Topteams wie Kamerun und Irland. Der Gruppensieg ist fast höher einzuschätzen als jetzt das Viertelfinale.
kicker: Den dritten K.o. im Viertelfinale in Folge nach 1998 und '94 schließen Sie aus. Was geschieht, wenn es trotzdem passiert?
Völler: Es wäre eine Enttäuschung, weil wir das Gefühl haben, noch nicht am Ziel zu sein. Es gäbe aber keinen Grund, wieder prinzipielle Dinge und Strukturen in Frage zu stellen. Dafür ist in den letzten Jahren sehr viel auf den Weg gebracht worden.
kicker: Wie erklären Sie sich die WM-Begeisterung in Deutschland trotz nicht allzu begeisternder Vorstellungen Ihrer Mannschaft?
Völler: Mit den beiden Phänomenen Weltmeisterschaft und Nationalmannschaft. Paraguay war kein Leckerbissen. Doch wie wir uns mit zehn gegen elf am Scheideweg gegen Kamerun durchgesetzt haben, das war der Durchbruch in der Heimat. Ich glaube, der Fan spürt den enormen Teamgeist, der diese Mannschaft auszeichnet.
kicker: Wer ist in Ihrem Team für Sie die positivste Überraschung?
Völler: Natürlich Miro Klose. Ganz toll finde ich aber auch, wie Christoph Metzelder sich durchgesetzt hat. Er hat alles, was ein Defensivspieler von Klasse benötigt, ist schnell, beidfüßig, kopfballstark. Spieler wie ihn brauchen wir mehr in Deutschland. Besonders freue ich mich auch für Thomas Linke, wie er sich bis
her hier präsentiert.
kicker: Und bei den anderen Nationen?
Völler: Ganz wichtig ist, dass Ronaldo wieder zu alter Stärke zurückgefunden hat. So ein Spieler gehört auf die Weltbühne des Fußballs.
kicker: Zu Ihrer persönlichen Zwischenbilanz als Teamchef. Bestätigen die bisherigen Erfahrungen Sie in Ihrem Entschluss, bis 2006 zwei weitere Turniere mit so immensem Zeitaufwand auf sich zu nehmen?
Völler: Es ist schon eine Kunst, mit 23 verschiedenen Charakteren über einen Zeitraum von fünf, sechs Wochen tagtäglich auszukommen. Als Spieler trägst du deine Probleme offen mit dir selbst aus. Die Verantwortung für das Gesamtunternehmen zu haben, ist ein schwieriges Unterfangen.
kicker: Das Sie sich noch einmal antun werden?
Völler: Ich gehe davon aus, weil ich die Kraft und den Willen habe, weiterzumachen und meinen Vertrag bis 2006 zu erfüllen.
kicker: Welchen Rat haben Sie sich bei Franz Beckenbauer geholt?
Völler: Vor der WM sagte er mir, dass er 1986 den Fehler gemacht habe, sich um zu viele Nebenkriegsschauplätze zu kümmern. Den Tipp, mich nicht zu verzetteln, habe ich angenommen. Es ist mir oft gelungen. Leider nicht immer.
kicker: Zum Beispiel, als Sie kürzlich erstmals öffentlich auf Kritik an Ihrem Team reagiert haben?
Völler: Es war ein Fehler von mir, Bum-Kun Cha so anzugreifen. Das tut mir leid. Dass Thomas Berthold aber solche Dinge raushaut, dafür habe ich kein Verständnis.
kicker: Leidet Ihre Freundschaft zu Berthold darunter?
Völler: Das hat damit nichts zu tun. Es gehört sich aber nicht, dass er als ehemaliger Nationalspieler gewisse Dinge von sich gibt. Ich muss den Laden zusammenhalten und schützen. Wenn einer wie Berthold solche Aussagen macht, dann gibt es halt einen auf die Nuss. Egal, ob wir früher auf einem Zimmer gelegen haben - das kann ich nicht akzeptieren.