In wenigen Wochen erscheint das neue SLAYER-Album. Wolf-Rüdiger Mühlmann jettete für euch nach L.A., um sich die CD anzuhören und Kerry King und Tom Araya im Interview auf den Zahn zu fühlen.
Kerry, Tom, im Stück ´Jihad´ beschreibt ihr die Attacke auf das World Trade Center am 11. September 2001. Bereits vor euch haben sich viele Künstler damit auseinander gesetzt. Ihr allerdings setzt dem Ganzen die Krone auf, indem ihr einen Songtext aus Sicht jener Terroristen geschrieben habt, die die beiden Todesflugzeuge lenkten.
Kerry: »Und genau deshalb ist es ein echter SLAYER-Song geworden. Wir würden niemals ein anklagendes Lied inklusive einer Verurteilung schreiben. SLAYER stellen nur dar, und wenn es sein muss, dann aus der Perspektive des Bösen. Jeff Hanneman hat übrigens den Text verfasst.«
Tom: »Als Jeff sagte, dass er einen Song über Terroristen und den 11. September schreiben wollte, war ich zuerst nicht begeistert, eben weil schon jede Band darüber gesungen hat. Als Jeff aber meinte, dass er den Text aus Sicht des Terroristen schreiben wolle, wusste ich: Yeah, that´s SLAYER!«
Provokation ist garantiert, Ärger wird gern in Kauf genommen.
Tom: »Ich bin neugierig, wie bestimmte Leute auf diesen Song reagieren. Es wird sicher Menschen geben, die uns für diesen Song hassen werden.«
Wen meinst du konkret?
Tom: »Moralapostel aller Couleur. Auf jeder SLAYER-Platte gab es Songs, die zu Protesten geführt haben. Der meistgehörte Satz der Bandgeschichte lautet: You can´t do this! Den größten Ärger gab´s bei ´Angel Of Death´.«
Kein Wunder. Aber ´Jihad´ könnte direkt hinter genanntem Geschmackstorpedo auf Platz zwei landen.
Tom: »Ich hoffe nicht.«
Das glaube ich dir nicht!
Tom lächelt unschuldig: »Ich hoffe es wirklich nicht. ´Jihad´ ist eine Beschreibung, mehr nicht. Wir beziehen keine Stellung, sind nicht für oder gegen etwas. Wir befassen uns nur mit einer Sichtweise. Einer sehr kranken - zugegeben.«
Habt ihr euch ernsthaft mit den Gedankengängen eines Mohammed Atta und seiner Helfer befasst?
Kerry: »Ich zumindest nicht. Ich habe genug andere Probleme (lacht). Aber ich weiß auf jeden Fall, was ein Jihad bedeutet und dass ein Krieg im Namen irgendeines Gottes reichlich bescheuert ist.«
Tom, ist es für dich schwierig, als Sänger die Sichtweise eines Terroristen wiederzugeben, der Menschen deines Landes auf dem Gewissen hat?
Tom: »Nein, denn wir haben ja schon immer Songs aus der Sicht von Wahnsinnigen, Gestörten und Kriminellen geschrieben. Ich habe eine gesunde Distanz zu unseren Texten.«
Sollte sich die westliche Welt mit den Gedankengängen von Terroristen intensiv auseinander setzen? Sollten wir vielleicht sogar etwas lernen?
Kerry: »Man kann da nichts lernen. Jeff ist Amerikaner, ich bin Amerikaner. Das Einzige, was ich weiß, ist: Niemand ist sicher. Bis zu jenem Tag dachten wir Amerikaner, dass wir unberührbar und unverwundbar sind. Seit dem 11. September 2001 wissen wir es besser.«
Tom, du hast zwei Kinder. Wie würdest du als Vater reagieren, wenn sich deine Kids CDs einer Rockband anhören würden, die wertungsfrei über Serienkiller, Naziverbrecher und Terroristen singt?
Tom lacht: »Ich würde die Band ausschließlich nach ihrer Musik beurteilen und dementsprechend sagen: „Mach die Scheiße aus!“«
Gehst du zum Elternabend, um mit Lehrern über deine Kinder zu diskutieren?
Tom: »Klar!«
Und die Lehrer wissen, dass du der Sänger der berühmt-berüchtigten Band SLAYER bist?
Tom: »Ja. Ich lebe in einer texanischen Kleinstadt. Da kennt jeder jeden. Nicht viele Väter in diesem Nest sind langhaarig, tätowiert und ständig unterwegs. Weißt du, was mich die Eltern der Klassenkameraden gefragt haben?«
Was?
Tom lacht laut: »Bist du Seemann?«
Die Stücke vom neuen Album, die wir vorhin gehört haben, klingen sehr rasant, herrlich wutentbrannt, gleichermaßen Old School wie auch zeitlos, aber auf gar keinen Fall rückwärtsgewandt.
Kerry: »So ähnlich sehe ich das auch. Es ist keine moderne Platte, aber auch kein Album, das nach achtziger Jahre klingt. Wir würden uns niemals hinstellen und krampfhaft irgendeine Whatever-School-Scheibe machen.«
Du meinst, wie phasenweise „Diabolus In Musica“ und „God Hates Us All“?
Kerry: »Bei SLAYER ist es ganz einfach: Wir stellen uns hin, trümmern zehn, elf Songs ein - und diese Songs kriegt ihr dann.«
WOLF RÜDIGER MÜHLMANN