HDTV startet, keiner kann's sehen
[SIZE=-1]Von Holger Dambeck [/SIZE][SIZE=-1]
Es sollte ein glamouröser Start in ein neues Fernsehzeitalter werden. Aber wenn ProSieben und Sat.1 heute ihre hochauflösenden Kanäle starten, senden sie ins Nichts. Zuschauer gibt es mangels Empfangsboxen keine.
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In Sachen HDTV scheint derzeit beinahe alles schief zu gehen, was schief gehen kann. Erst versäumt es die Industrie, ihre teuren Plasma- und TFT-Displays mit den notwendigen Schnittstellen auszustatten. Viele in den vergangenen Monaten verkaufte Bildschirme werden hochauflösendes Fernsehen gar nicht oder nur in verringerter Qualität darstellen können.
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[SIZE=-2]Superscharfes Fernsehen: Vorerst ohne Zuschauer[/SIZE]
Dann können sich Sony und andere Hardware-Hersteller nicht darüber einigen, welches Format die aktuelle Video-DVD beerben wird: Blu-ray oder HD-DVD. Und jetzt starten ProSieben und Sat.1 ihre HD-Kanäle, doch es fehlt an tauglichen Settopboxen, um das Programm anschauen zu können.
"Die Boxen sind nicht pünktlich zum Start der Sender verfügbar", sagte Christian Garres, Sprecher der ProSieben-Sat.1-Gruppe. "Uns wurde von den Decoderherstellern versichert: 'Ja, ja, wir kriegen das schon hin.'" Geschafft haben sie es nicht. So senden Sat.1 HD und ProSieben HD zunächst erst mal ins Leere, wenn Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber auf den Münchner Medientagen heute Mittag den Startschuss für die beiden Satellitenkanäle gibt. Absurder geht's kaum.
Offenbar haben die Hersteller der Boxen, die aus dem digitalen Datenstrom ein Fernsehbild erzeugen sollen, die technischen Probleme nicht rechtzeitig in den Griff bekommen. In der Tat müssen die Chips in den Decodern deutlich mehr Rechenarbeit leisten als in aktuellen Satellitenboxen. Die HD-Videodaten sind wesentlich stärker komprimiert - statt MPEG-2 kommt H.264 zum Einsatz -, entsprechend höher ist der Rechenaufwand beim Entpacken.
Weil die beiden HD-Sender zudem das neuartige Modulationsverfahren DVB-S2 nutzen, scheitern selbst hochgerüstete PCs, die vor Rechenpower nur so strotzen, am neuen Fernsehzeitalter. Satellitenkarten für DVB-S2 sind im Handel noch nicht erhältlich.
Der für heute geplante Programmstart ist aber auch aus einem anderen Grund eine Mogelpackung. Inhalte in hoher Auflösung - beide Kanäle arbeiten mit 1920 mal 1080 Bildpunkten -, wird es zumindest heute nicht geben. Stattdessen nehmen die Sender ihr herkömmliches Material in PAL-Auflösung (720 mal 576) und skalieren es auf HD hoch. Sat.1 HD und ProSieben HD entsprechen inhaltlich dem Programm von Sat.1 und ProSieben. Wenn Filme auch als HD-Version verfügbar sind, sollen sie in hoher Auflösung gesendet werden - so das vage Versprechen.
Retten die Gamer das Geschäft mit HD?
Eine feste Zusage derart, jeden Monat gibt es vier Blockbuster in HD, ist das nicht. Die beiden Sender wollen vor allem dabei sein beim Fernsehen der Zukunft. Immerhin wird der Empfang der Kanäle nichts kosten. Im Unterschied zu Premiere. Der Pay-TV-Anbieter will im November mit drei HD-Sendern an den Start gehen. Den Durchbruch für HDTV erhofft man sich spätestens bei der Fußball-WM 2006, die Premiere komplett in HD zeigen will. Zum Anfüttern sollen ab November auch Bundesliga-Spiele in hoher Auflösung über den Sender gehen.
Zuschauer müssen sich einen neuen Fernseher zulegen, um in den Genuss von HDTV zu kommen. Dieser sollte mindestens eine Auflösung von 1280 mal 720 Pixeln unterstützen, besser aber noch 1920 mal 1080. In diesem Format senden sowohl Premiere als auch ProSieben und Sat.1. Die Superglotze muss zudem, zumindest bei Premiere, den HDCP-Standard unterstützen, mit dem die Filmindustrie Raubkopien ihrer Werke verhindern will. Das Logo "HD ready" gewährleistet dies.
Trotz aller Startschwierigkeiten, mit denen HDTV derzeit noch kämpft, könnten sich die großen TFT- und Plasma-Schirme aber schneller durchsetzen als gedacht. Im Dezember will Microsoft seine neue Spielkonsole Xbox 360 auf den Markt bringen, Sonys Playstation 3 folgt im Frühjahr 2006. Beide setzen auf Games in High Definition. Wenn sich Millionen Spieler einen HD-Fernseher kaufen, kann sind zumindest erst mal genug taugliche Displays vorhanden.
Spiegel-online