Metaphor: ReFantazio (Xbox Series X)
Als das Spiel vor gut vierzehn Monaten erschien, war ich nicht darauf gefasst, auf welche Reise mich Hersteller Atlus schicken würde. Für das JRPG wurde der Begriff "Style" offenbar erfunden. Das betrifft die komplette Menüführung, das frische Setting in einer fantastischen Welt, den choralen Soundtrack und die Story.
Der König ist tot und abstruse Monster, die in der Spielwelt "Menschen" genannt werden, bedrohen die Bevölkerung. In einem Wettbewerb soll nun der Thronfolger ermittelt werden, während der Königssohn mit einem Fluch belegt in einem ewigen Schlummer verweilt. Der tote König hat aber in Form eines Kometen sein Auge auf den Wettbewerb und dessen Königsmagie verhindert, dass die besten Teilnehmer hinterrücks ermordert werden können. Antagonist Louis, der zeitgleich der vermeintliche Mörder seiner Majestät ist, spielt im Rennen um den Thron ganz vorne mit. Als Spieler muss ich nicht nur ein Heilmittel für den Prinzen finden, sondern zudem verhindern, dass Louis als potenziell künftiger König das Volk unterjocht. Ausgehend von dieser Grundprämisse webt Atlus ein wendungsreiches Abenteuer, das mit einigen Überraschungen aufwartet. So emotional wie in "Clair Obscur" wird die Geschichte jedoch nicht. Dabei ist die Welt mit all seinen Völkern, Religionen und Intrigen durch und durch glaubwürdig und originell. Die Designabteilung durfte sich ordentlich austoben, als es um die Ausgestaltung von Charakteren und Gegnern ging. Besonders sehenswert sind hier die "Menschen", von denen ich mir noch ein paar mehr gewünscht hätte. Da kämpft man schonmal gegen ein Vieh mit ner riesigen Eierschale als Körper, mit Hupe und Kopf, während zeitgleich eine Art Karussell um den Hals fährt - offensichtlich erdachte man die "Menschen" unter Einfluss der besten Drogen Japans.
Jobklassen heißen in "Metaphor" Archetypen: Ritter, Magier, Kämpfer, Sucher, Schwindler, Dieb... es gibt etliche davon zu entdecken und zu erlernen. Im Verlauf des Spiels muss man damit auch mal experimentieren, um weiterzukommen - oder man macht es wie ich und stellt auf den leichtesten Schwierigkeitsgrad, auf dem man einfach nur die Geschichte genießen kann und ganz gut durchkommt. JRPG-Enthusiasten kommen hier voll auf ihre Kosten, wenn sie die vielfältig erlernbaren Fähigkeiten ausprobieren und miteinander kombinieren. Dabei ist das Kampfsystem klassisch rundenbasiert, aber sehr stylisch präsentiert.
Sperrig fand ich das Zeitsystem des Spiels, wo gewisse Aufgaben innerhalb einiger Tage erledigt werden müssen. So startet man grundsätzlich nachmittags in den Tag, doch möchte man beispielsweise nur die Beziehung mit einem der vielen Partiemitglieder verbessern und redet mit diesem, ist plötzlich schon wieder Nacht und der Tag ist gelaufen. Die Erkundung eines Dungeons findet in der Regel ebenfalls während eines "Nachmittags" statt. Dabei spielt es keine Rolle, wie lange man sich in Echtzeit darin bewegt. Sobald man ihn verlässt, um beispielsweise Hitpoints und Magiepunkte zu heilen (für letztere gibt es nur wenige Items), kehrt man meist direkt in die Stadt zurück und man muss am Tag darauf erneut hin. Hier musste ich mich etwas reinfinden. Selbes gilt für das Reisen mit dem "Fährnisläufer" - eine Art riesige mechanische Heuschrecke, mit der die Partie zwischen Orten und Dungeons hin und her reist. Man kann nicht einfach Orte auf der Karte vom Menü aus anklicken, sondern das funktioniert nur am Strategietisch im Fährnisläufer. Erst später schaltet man Schnellreisen zu den größten Städten frei.
"Metaphor" bietet einiges an Spielmechaniken, sodass ich hier gar nicht alle aufzählen kann und will. Dazu eignet sich ein Testbericht sicherlich mehr. Was ich aber sagen kann, dass es sich hier um ein Ausnahme-JRPG handelt, das bekannte Pfade verlässt und mit einer eigenen Identität daherkommt. Technisch ist diese nicht immer ganz sauber und viele Dungeons, Höhlen und Türme sind von Design und Aufbau her sehr eintönig, repetitiv und fad - doch das Game lebt von den vielen Möglichkeiten und vor allem der Story.
Auf dem storygetriebenen Schwierigkeitsgrad war ich nun nach 62 Stunden durch - und der Epilog ging noch einmal länger als erwartet. Ich brauch für mein nächstes Spiel definitiv "leichtere" Kost, denn "Metaphor: ReFantazio" ist ein Brocken von JRPG...Aber ein guter.