Anfang Januar zeichnete sich innerhalb von Premiere wohl ab, dass das oberste Management zu einer Vertragsverlängerung “Nein” sagen würde. Hier gibt es unterschiedliche Aussagen zu den Gründen. Eine Quelle sagt, dass es die Kosten gewesen sein sollen, die Premiere von einer Verlängerung abgehalten hätten. Andere Quellen besagen, dass man genau das gemacht habe, was man auch bei der NFL schon erfolgreich durchgezogen habe. So soll man sich erst die Abozahlen angeschaut haben, dann man hat sich die Marktforschung betrachtet und festgestellt, dass man den größten Teil der Abonnenten schon im Boot habe, die nur wegen der NASCAR einen langjährigen Vertrag abgeschlossen hatten. Die Rechnung soll gelautet haben: “Bei leicht gestiegenen Kosten werden wir nicht mehr Einnahmen haben. Wenn wir die NASCAR abschießen, verlieren wir vielleicht 30% der Abonnenten, und das auch erst in 12 bis 18 Monaten, denn so lange laufen die meisten Abo-Verträge noch”. Dieses Verfahren soll man angeblich auch schon bei der NFL angewandt haben, allerdings machte man hier den Fehler, die Serie komplett aus dem Programm zu entfernen, was einigen Abonnenten ein Sonderkündigungsrecht einbrachte. Also beschloss man, laut meiner Quellen, mit der NASCAR nur noch um die Rechte der Aufzeichnung zu verhandeln. Als dies bekannt wurde, gab es intern bei Premiere wohl große Diskussionen. Die Motorsportredaktion versuchte mit allen Argumenten die oberen Etagen zu überreden, bei den Live-Übertragungen der NASCAR zu verbleiben. Es gab die Überlegung, den Sprint Cup live nur auf “Premiere Direkt” auszustrahlen, aber dies soll sich nach Berechnung von Premiere finanziell nicht lohnen.
Der NASCAR war die Sache mittlerweile egal. Ob Premiere nun übertragen würde oder nicht, interessierte dort kaum jemanden. Zu dem war man in Verhandlungen mit Sky Sports, was in sofern delikat ist, weil die ja in UK ein direkter Konkurrent zu NASN/ESPN sind, wo die NASCAR bisher gesendet wurde. Doch Murdoch schaufelte so viel Geld auf den Tisch, dass die NASCAR schlecht “Nein” sagen konnte. Mit Premiere redete man weiter, zog die Verhandlungen aber in die Länge. Nachdem der Deal mit Sky in trockenen Tüchern war, freute man sich in den USA über die Mehreinahmen und wollte Premiere schon absagen, als jemanden in der Rechtsabteilung auffiel, dass man auf die Ausstrahlungen bei Premiere (und auch AB Moteurs) gar nicht verzichten könne. Der Grund: Sponsoren wie Dupont, die in Belgien sitzen, oder auch Coca-Cola haben sehr wohl ein Interesse an einer Verbreitung der Serie in Deutschland und zudem hatte man den Sponsoren wohl “Live” Übertragungen in den genannten Ländern vertraglich zugesichert. Würde Premiere nur Aufzeichnungen bringen, hätte das eventuell juristische Konsequenzen, die vor allem Eins wären: teuer.
Also überraschte man Premiere plötzlich angeblich mit folgender Forderung: “Entweder, ihr zeigt das Daytona 500 live, oder ihr bekommt keine Aufzeichnungen.” Denn offenbar steht in den Verträgen mit den Sponsoren für die Ausstrahlungen in Europa nicht, wie viele Liveübertragungen es geben muss. So wie es aussieht, ist AB Moteurs in der gleichen Lage. Das ist der Grund, warum Premiere das Daytona 500 überhaupt zeigt, denn es macht für den Sender überhaupt keinen Sinn. Im Gegenteil: die meisten NASCAR Fans werden dank des eisernen Schweigens seitens Premiere überhaupt noch nicht wissen, dass man die NASCAR nicht mehr komplett live überträgt. Der richtige Ärger kommt vermutlich nach dem Daytona 500, wenn man die Fans mit einer Live-Übertragung angefixt hat und dann nur noch Aufzeichnungen bringt. Aber ohne das Daytona 500 hätte es keine Rechte für die Aufzeichnungen gegeben, und ohne die, hätte Premiere das Problem, dass man bis vor wenigen Tagen noch mit der NASCAR auf der eigenen Seite die Abos beworben hat. Das hätte zu einem Sonderkündigungsrecht für manche Abonennten führen können, wie man ja seit der Bundesliga und der NFL weiß.
Die Schuld ist also ein wenig verteilt. Wenn die NASCAR sich gegenüber Premiere kooperativer gezeigt hätte (zum Beispiel durch die Vorlage eines Mehr-Jahres-Vertrages), dann hätte der Sender eventuell zugeschlagen. Auf der anderen Seite hätte Premiere auch dieses Jahr ohne Probleme die Live-Rechte bekommen können, würde man langfristiger rechnen. Es ist nach meinen Informationen nicht mal so, dass die Live-Übertragungen ein Zuschussgeschäft für Premiere wären. Die Entscheidung gegen die Live-Übertragungen fiel einzig und allein aus dem Grund, weil man der Überzeugung ist, dass man mit den Live-Übertragungen auch nicht mehr Abos generieren kann, als man eh schon hat, weil der Markt für NASCAR Fans, die sich extra ein Premiere-Abo für die Serie zulegen würden, schon 2007 zu großen Teilen abgegrast wurde.
Hätte man einen langfristigen Vertrag mit der NASCAR, könnte man Marketingmäßig auch mehr in die Offensive gehen und auch Sponsorenverträge schließen. Aber für ein Jahr?
IV.
Als Mitte Januar durchsickerte, dass Premiere die Live-Rechte nicht mehr haben nehmen würde, war vor allem ein Sender völlig überrascht: NASN Europe. Bei NASN war man sich klar, dass man wohl die UK Rechte an Sky verlieren würde, aber an Europa hatte niemand gedacht, weil man fest davon ausging, dass Premiere die Rechte auch 2008 halten würde. Deswegen hatte sich bei NASN auch niemand um die Sprint Cup Rechte bemüht. Das Problem des Senders ist, dass man in 37 europäischen Ländern gleichzeitig ausstrahlt und einzelne Länderfeeds sich nicht lohnen. Plötzlich sah man aber eine Chance, denn wenn Premiere die Rechte für Deutschland freiwillig aufgeben würde, müsste “nur” noch schauen, dass man AB Moteurs rauskickt und gleichzeitig überprüfen, ob irgendwo in Europa nicht ein weiterer Sender Rechte an der NASCAR hält. Und genau das macht man jetzt seitens NASN. Hieß es vor zwei Wochen seitens meines Kontaktes bei ESPN in den USA, dass NASN Europe auf gar keinen Fall den Sprint Cup zeigen würde, sagt er nun: “No comment”.
Klar ist, dass man die Rechte gerne haben würde. NASN/ESPN versucht offenbar gerade die NASCAR in die Richtung zu bewegen, dass sie keine Neu-Verträge in Europa abschließt. Das ist wohl auch der Grund, warum AB Moteurs vermutlich den gleichen Deal bekommt, den Premiere hat: Daytona 500 live, der Rest nur aus der Konserve. NASN arbeitet wohl zurzeit intensiv im Hintergrund daran, die Sprint Cup Rechte für Europa zu bekommen. Nachdem Wegfall von Premiere in Deutschland wäre dieser Deal auch für die NASCAR von Vorteil. Zum einen würde man tatsächlich ganz Europa abdecken, was wiederum die Sponsoren der NASCAR beruhigen würde, zum anderen würde man ESPN einen kleinen Gefallen tun, nachdem man die bei der Rechtevergabe in UK zumindest angerempelt hat. Ob und ab wann NASN den Cup live zeigen könnte, ist völlig unklar, aber man hat sich wohl schon Gedanken gemacht, wie man den Cup ins Programm stopfen kann. Es heißt, dass ein zweiter Sender von NASN überhaupt kein Problem sei. Da deutet vieles auf ESPN Classic hin, aber es ist durchaus denkbar, dass man auch ein NASN/ESPN 2 schaltet. Jedenfalls soll es daran nicht scheitern. Verkompliziert wird aber die eh undurchsichtig Situation gerade dadurch, dass die NASCAR selber ihre Aktivitäten bei der Rechtevergabe im Fernsehen wie im Netz weltweit neu aufstellt.. Vermutlich will die NASCAR die Ausstrahlung des Sprint Cups im Netz selber in die Hand nehmen.
Epilog:
In dem ganzen Spiel sind die Zuschauer in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Frankreich erst mal die Verlierer. Die NASCAR interessiert sich für sie nur am Rande, weil man beschlossen hat, erst einmal wieder die US-Zuschauer in den Vordergrund zu stellen. Aber die endgültige Entscheidung über die TV-Rechte ist noch nicht gefallen. Selbst Premiere verhandelt angeblich weiter, da die Proteste der eigenen Redaktion und der Zuschauer nicht ohne Gehör geblieben sind.
Bei Premiere hängt nach der Entscheidung der Haussegen mächtig schief. Die Diskussion darüber, dass man ein mächtiges Instrument aus der Hand gegeben hat, mit dem in Zukunft vielleicht sogar die Quoten der Formel Eins hätte erreichen können, laufen wohl ziemlich lautstark ab.
Und was können wir machen?
Mailen, mailen, mailen und noch mal mailen. In erster Linie an Premiere. Die sind vorsichtiger geworden, was die Zuschauer angeht. Als die NBA aus dem Programm verschwinden sollte, hat nur der Protest der Zuschauer ein Umdenken bewirkt. Mit jeder Mail an Premiere, vor allem an die Motorsportredaktion oder Herrn Ulich, steigt die Chance, dass vielleicht doch noch was passiert. Bloss nicht an die Kundenhotline mailen, das bringt nichts. Mit Mails an die Redaktion unterstützt die Position der Verantwortlichen. Aber mailt auch an die NASCAR. Beschwert Euch darüber, dass man die Serie in Deutschland nicht mehr sehen kann. Dazu mailt an die Sponsoren. Coca-Cola, Pepsi, Dupont, Subway, McDonalds, Jack Daniels - alles, was irgendwie international unterwegs ist. Amerikanische Firmen reagieren deutlich sensibler auf Proteste als deutsche Firmen. Ich stelle am Wochenende noch eine Formmail hier rein, in die man einfach nur noch seinen Namen einsetzen muss. (Wenn das einer früher schafft: bitte in die Kommentare posten, ich komm einfach nicht schneller dazu)
Es ist noch nicht völlig vorbei - noch gibt es die Möglichkeit etwas zu tun. Wir alle würden uns freuen, wenn wir die NASCAR weiter auf Premiere mit Jacques Schulz sehen können, statt irgendwo im Netz pixelige Streams abgreifen zu müssen.
Der Dank geht an alle Menschen, die mir in den letzten Tagen Informationen zugesteckt haben. Ohne diese Infos, wären einige Sachen im Dunkeln geblieben.