Mit äußerst drastischen Worten spricht eurosport.de-Kolumnist Rudi Brückner über die Ausbootung von Oliver Kahn aus dem WM-Tor. Dabei kritisiert Brückner den Zeitpunkt, die Art und Weise der Entscheidung von Klinsmann und warnt vor dem "wahren Gesicht" des Bundestrainers.
Bundestrainer Jürgen Klinsmann hat nun also entschieden, wer im deutschen WM-Tor steht. Jens Lehmann, der spielende Torwart, ist nun die Nummer eins, vor der Nummer eins, Oliver Kahn, der noch nie ein spielender Torwart war, aber seit Jahren ein Weltklassetorwart ist!
Der Zeitpunkt, die Art und Weise der Entscheidungsfindung und die Begründung sind gelinde gesagt unverschämt. Vor dem Spitzenspiel Bremen gegen Bayern in der Bundesliga grätscht Klinsmann mit seiner Veröffentlichung in die Schlagzeilen, offensichtlich unüberlegt und ohne den Hauch von Fingerspitzengefühl für die Situation.
Oder doch nicht? Sitzt der Stachel aus der gemeinsamen Bayernzeit bei Klinsmann vielleicht so tief, dass er sich für die Retourkutsche gegen seinen früheren Mannschaftskollegen bewusst diesen Zeitpunkt gelegt hatte?
Langsame Kahn-Demontage
Kahns Demontage hatte der Bundestrainer ja schon vor einiger Zeit begonnen, indem er Torwarttrainer Sepp Maier gegen EM-Freund Andi Köpke austauschte. Und Oliver Kahns Fehler gegen Köln spielten dem Bundestrainer phantastisch in die Karten. Zwei Jahre Warten auf einen Fehler der Nummer eins hatte sich gelohnt, endlich war das öffentliche Feld bereitet, um den einstigen Titan wegzuschicken.
Und dann diese Begründung, Lehmann passe besser zur Spielphilosophie des Trainerstabes! Wenn wir etwas seit Monaten vermissen, dann ist es eine Philosophie, gelebt und gespielt auf dem Platz. Und wenn die Begründung, der spielende Torwart wird gebraucht, tatsächlich ernst gemeint ist, dann hätte diese Entscheidung schon vor zwei Jahren fallen können, denn schon zu diesem Zeitpunkt war die unterschiedliche Spielweise beider Torwarte bekannt.
Abgekartetes Spiel
Es ist eine Frechheit vom Bundestrainer auf dem Hintergrund dieser Begründung Oliver Kahn zwei Jahre lang in so ein Duell zu schicken. Auch die infame Art und Weise, wie immer wieder betont wurde Kahn sei die Nummer eins und Lehmann höchstens der Herausforderer, ist eine nicht zu überbietende Dreistigkeit.
Dass der frühere Berater von Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff seit längerer Zeit schon der Berater von Jens Lehmann ist und dieser selbstverständlich ein persönliches Interesse an großer Vermarktung seines Schützlings hat und seinen "guten Draht" zu seinem früheren Schützling genutzt hat, sei hier nur am Rande dieses abgekarteten Spiels erwähnt.
Klinsmann hat wahres Gesicht gezeigt
Der ausgebootete Christian Wörns hat ja wiederholt betont, dass Klinsmann ein linker Typ sei und die Spieler gegeneinander ausspielt. Das Sonnyboy-Lächeln nimmt ihm spätestens nach dem heutigen Tag keiner mehr ab. Mit der Torwartentscheidung hat Klinsmann nun auch der Öffentlichkeit sein wahres Gesicht gezeigt. Oliver Kahn bleibt die Genugtuung fast alleine 2002 Vize-Weltmeister geworden zu sein, denn Dank ihm kam Bundestrainer Rudi Völler damals mit seinem Team überhaupt so weit.
Das wird die Nationalmannschaft in diesem Jahr nicht erreichen und das ist auch gut so, denn dann sind wir hoffentlich bald Jürgen Klinsmann als Bundestrainer los.
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