20:45 Uhr - Portugal - Griechenland
Mit Euphorie und Aberglauben
Ein Land trägt rot-grün: Ganz Portugal fiebert dem EM-Finale am Sonntag gegen Griechenland entgegen. Mit einer seit der Nelkenrevolition vor 30 Jahren nicht mehr dagewesenen Begeisterung unterstützt das 10-Millionen-Volk seine Seleccao, von der nicht weniger als der erstmalige Gewinn der Europameisterschaft erwartet wird. "Portugal durchlebt zur Zeit einen Moment von große Euphorie und Patriotismus", sagt Fußball-Legende Eusebio über die Atmosphäre im Gastgeberland, in dem fast alle Häuser und Autos mit der Landesfahne geschmückt sind.
"Geschichte wird von Helden gemacht"
Die Erwartungshaltung ihrer Landsleute werden die Spieler erneut lange vor Spielbeginn aus nächster Nähe miterleben können. Zunächst wird ihr Blick auf das Plakat an der Ausfahrt ihres Trainingscamps fallen. "Die Geschichte wird von Helden gemacht", steht dort am Rande des Fußballzentrums von Sporting Lissabon in Alcochete. Der Vorort liegt auf der anderen Flußseite des Tejo, der Hauptstadt gegenüber.
Prozession zum Stadion
Ähnlich einer Prozession wird sich der Mannschaftsbus auf den Weg über die fast zehn Kilometer lange Vasco-da-Gama-Brücke zum "Estadio da Luz" machen. Dabei wird er von einem Hubschrauber, dessen Kameras die Fahrt live ins Fernsehen übertragen, hunderten von Anhängern auf Motorrädern und tausenden Fans am Straßenrand begleitet werden. "Beim letzten Mal war es schon unglaublich. Ich bin gespannt, wie es diesmal wird. Wir alle wissen, wie wichtig der Sieg für unsere ganze Nation wäre", sagt Mittelfeldstar Maniche. "Das Volk trägt uns auf Flügeln", weiß sein Coach Felipe Scolari, der als erster Trainer mit zwei verschiedenen Nationalteams nach der Weltmeisterschaft auch die Europameisterschaft holen kann.
Bitte um himmlischen Beistand
Um bei diesem Vorhaben Beistand von oben zu haben, wird der Brasilianer vorher Kerzen für den Lissaboner Stadtheiligen Santo Antonio anzünden. Andere Teammitglieder werden hingegen zur Jungfrau von Fatima beten. Torwart Ricardo hat bereits angekündigt, bei einem Finalsieg zu Fuß in den Wallfahrtsort zu pilgern. Neben dem Glauben spielt aber der Aberglaube eine große Rolle. So hat der scheidende Ministerpräsident Jose Manuel Durao Barroso die Fans mit der Aussage beruhigt, er werde erneut seine rot-grün gestreifte Krawatte tragen. "Nur beim Eröffnungsspiel gegen Griechenland hatte ich sie nicht umgebunden. Die Niederlage war meine Schuld", hat der Politiker erklärt, der auf der Ehrentribüne die Daumen drücken wird.
"Platzverbot" für den Verbandspräsidenten
Neben ihm soll der portugiesische Verbandspräsident Gilberto Madail Platz nehmen. Doch dagegen hat sich ein Sturm der Ablehnung erhoben und auch Scolari hat sein Veto eingelegt. Denn seit der 1:2-Auftaktpleite gegen die Griechen verfolgte Madail die weiteren Spiele zu Hause alleine vor dem Fernseher - mit Erfolg. Für Portugal spricht auch die Statistik: Seit 17 Jahren und insgesamt 29 Länderspielen ist das Team in Lissabon ungeschlagen. Außerdem hat ein Ausrichter noch nie ein EM-Endspiel verloren.
Maniche als Beispiel für die Entwicklung des Teams
Hinzu kommt das gestiegene Selbstbewusstsein nach vier Siegen in Serie. "Niemand vor uns hat in Portugal erreicht, was wir geschafft haben. Und wir haben die Krönung selbst in unseren Händen", erklärt Maniche, der stellvertretend für die Entwicklung der Mannschaft steht. Im Auftaktspiel lieferte der 26-Jährige eine katastrophale Vorstellung, dann steigerte er sich immer mehr und ist nicht nur für Jose Mourinho, seinen Ex-Trainer beim Champions-League-Sieger FC Porto, "der beste Spieler der EM".
Rehhagels Griechen: "Haben nichts zu verlieren"
Aufhalten kann den Triumphzug wohl nur einer - Otto Rehhagel. Mit den Erfolgen gegen die Favoriten aus Portugal, Frankreich und Tschechien im Rücken ist der krasse Außenseiter aus Griechenland auch bei seiner ersten Endspielteilnahme nicht chancenlos. "Wir haben nichts zu verlieren, sind schon der große Gewinner der EM", sagte Rehhagel dem DSF. "Wenn Portugal siegt, ist das eine normale Geschichte. Sollten wir aber gewinnen, ist es eine Sensation."