ARD: Herr Völler, stellen Sie sich nach so einem Spiel schützend vor die Mannschaft, weil sie sie am Mittwoch noch brauchen. Oder wollen Sie sie aufrütteln?
Rudi Völler: Beides. Ich wurde nach dem Spiel gegen die Färöer belächelt, weil ich die Mannschaft in Schutz genommen habe. Das ist heute schwer möglich, weil wir besonders in der zweiten Halbzeit viel zu behäbig gespielt haben. In der ersten Hälfte hatten wir die Isländer noch ganz gut im Griff und haben uns auch die ein oder andere Torchance erarbeitet. In der zweiten Halbzeit kamen zu wenige Impulse aus dem Mittelfeld, im Sturm konnten wir uns kaum durchsetzen. Und wir haben uns eindeutig zu wenig bewegt. Am Mittwoch dürfen nur Spieler auflaufen, die mir versprechen, dass sie hundertprozentig für die Mannschaft arbeiten.
Frage: Wie soll das Problem behoben werden, dass die deutsche Elf so wenige Tore schießt?
Völler: Daran müssen wir arbeiten. Kevin Kuranyi hat seine Sache in der zweiten Hälfte ganz gut gemacht. Aber grundsätzlich ist es natürlich richtig, dass wir zu wenig Tore machen. Aber ich muss zur Berichterstattung einfach mal sagen, dass es eine Sauerei ist, was Günter Netzer und vor allem Gerhard Delling da so von sich geben. Ich kritisiere die Mannschaft, aber ich muss sie da natürlich auch in Schutz nehmen.
Frage: Was genau meinen Sie?
Völler: Das dauernde Gerede vom erreichten Tiefpunkt, dann noch mal einem. Und dann noch einem niedrigeren Tiefpunkt. Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören. Ich weiß nicht, woher die beiden das Recht nehmen, so etwas zu sagen. Das verstehe ich nicht. Und der Satz, die Samstagabend-Unterhaltung werde immer schlechter... Dann soll der Herr Delling doch Samstagabend-Unterhaltung machen und keinen Sport, keinen Fußball. Dann soll er bei "Wetten dass" den Gottschalk ablösen. Diese Berichterstattung ist für mich das allerletzte. Sonst ist es das Beste, dass ich den Beruf wechsele.
Frage: Suchen Sie sich da nicht den falschen Adressaten für Ihre Kritik aus?
Völler: Nein, ich suche mir genau den richtigen aus. Ich sitze hier seit drei Jahren und muss mir diesen Schwachsinn immer anhören.
Frage: Aber der Ansprechpartner für Ihre Kritik muss doch die Mannschaft sein.
Völler: Die bekommt auch ihr Fett weg. Aber ich kann diesen Käse nach jedem Spiel von wegen Tiefpunkt nicht mehr hören. Wir haben heute beim Tabellenführer 0:0 gespielt. Das ist für unsere Ansprüche sicherlich ein bisschen wenig. Wir sind Vize-Weltmeister, da muss ein bisschen mehr kommen. Aber dann dieser Scheiß, der da immer gelabert wird... Wir sollten uns Gedanken machen, ob wir so weitermachen können. Es ist das allerletzte, immer alles in den Dreck zu ziehen. Ich lasse mir das nicht mehr so lange gefallen.
Frage: Aber wir müssten doch als Vize-Weltmeister eine Mannschaft wie die Isländer klar beherrschen.
Frage: Wieso denn? Die Isländer sind Tabellenführer, oder etwa nicht? Warum sollten wir den auswärts klar beherrschen? In welcher Welt lebt ihr denn alle? Ich habe doch die Mannschaft kritisiert und werde am Mitt
woch nur die Leute aufstellen, die sich den Arsch aufreißen. Aber ihr müsst doch mal von euerem hohen Ross herunter kommen. Was ihr euch immer alle einbildet, was für einen Fußball wir in Deutschland spielen müssen... Was die Mannschaft um Günter Netzer früher gespielt hat, konnte man sich doch gar nicht anschauen. Das war doch Standfußball.
Frage: Ich kann jetzt nicht verstehen, warum da die Schärfe rein kommt.
Völler: Die Schärfe bringt ihr doch rein. Müssen wir uns denn alles gefallen lassen?
Frage: Ich habe doch jetzt keine Schärfe hinein gebracht.
Völler: Du nicht. Du sitzt hier auf deinem Stuhl und hast drei Weizenbier getrunken und bist schön locker.
Frage: Also in Island gibt es kein Weizenbier, ich bin auch kein Weizenbiertrinker. Ich weiß nicht, ob wir in diesem Stil weitermachen wollen. Aber jetzt sollen Mittwoch Leute spielen, die sich den Arsch aufreißen. Warum haben die heute das denn nicht getan?
Völler: Es ist natürlich auch ein Gegner auf dem Platz. Und natürlich war das von dem ein oder anderen auch nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. In der Halbzeit habe ich auch gesagt, wir müssen noch einen Tick mehr bringen, aber es wurde dann eher weniger. Aber ich verstehe nicht dieses hohe Ross. Natürlich müssen wir hier normalerweise etwas besser spielen. Aber es kann doch keiner von uns verlangen, dass wir hier herfahren und die Isländer 5:0 wegputzen. Unsere Situation hat sich durch das 0:0 nicht so sehr geändert. Wir müssen immer noch die Schotten schlagen. Und das mit dem Weizenbier tut mir Leid. Entschuldigung, das habe ich nicht so gemeint. Alles andere habe ich so gemeint, wie ich es gesagt habe.
München - Nach einer kurzen Schalte zurück zu den ARD-Experten Günter Netzer und Gerhard Delling bekam DFB-Teamchef Rudi Völler noch einmal die Gelegenheit, auf deren Analyse des torlosen Unentschiedens in Island im Gespräch mit Waldemar Hartmann Bezug zu nehmen.
Dabei deutete er an, dass er auch bereit wäre, persönliche Konsequenzen zu ziehen, wenn die Berichterstattung nicht an Schärfe abnehme. Die Rücktrittsdrohung relativierte er allerdings in der anschließenden Pressekonferenz.
Frage: Nach dem Spiel steht ein Teamchef unter Hochspannung. Das war bei Berti Vogts nicht anders. Ist diese Auseinandersetzung auch ein Zeichen dafür, dass du richtig sauer auch auf die Leistung dieser Mannschaft warst.