Aldi bewirbt seinen aktuellen Medion-PC MT6 mit einer Radeon-9600-TX-Grafikkarte mit 128 MByte DDR-DRAM. Das lässt angesichts der erst zur CeBIT angekündigten RV350-Chips Radeon 9600 und Radeon 9600 Pro brandaktuelle Grafikhardware erwarten. Etwas verwundert war man in der c't-Redaktion schon über dieses Produkt; schließlich konnte ATI auf der CeBIT nur wenige Evaluation-Samples der 9600er zeigen und wollte sich noch nicht einmal auf endgültige Taktfrequenzen festlegen. Retail-Produkte sollten entsprechend nicht vor April/Mai in den Handel kommen. Wie konnte ein Großabnehmer wie Medion dann bereits im März die Aldi-typischen Mengen von Komplett-PCs mit derartigen Chips bestücken?
Die Skepsis wuchs beim Auslesen der Speichertakte: 297 MHz für den Chip und 270 MHz für den 3,6-ns-Speicher zeigte Powerstrip an. Der Chiptakt liegt somit unter, der Speichertakt deutlich über den mit 325 bzw. 200 MHz getakteten CeBIT-Samples mit dem Radeon 9600. Endgültige Klarheit brachte die Demontage des Lüfters. Der Chip trägt die Bezeichnung R300, die ATI für die Bausteine auf den Radeon-9500/9700-Karten verwendet, gehört also mitnichten zur 9600er Gattung aus dem 0,13-µm-Prozess.
Nach ATIs Aussagen ist der 9600 TX ein speziell für Medion ausgesuchter Radeon 9500 Pro, der mit allen acht Pixelpipelines des R300 bei erhöhtem Takt arbeite und zwischen 9500 Pro und 9700 anzusiedeln sei.
Der Chip erreichte auf der Medion-Karte auch tatsächlich in den üblichen Spielebenchmarks die Leistung einer Radeon HIS 9500 Pro; allerdings liegt die Chiptaktfrequenz dabei rund 20 MHz über der Standardfrequenz des 9500 Pro. Im Pixel-Shader-Test des 3DMark03 fiel die Medion-Karte außerdem rund 15 Prozent hinter die HIS-Karte zurück. Die somit im Vergleich zu 9500-Pro-Karten geringere Leistung konnte man sich bei ATI nur mit den älteren Speicherchips in TSOP-Bauweise erklären, die vermutlich mit langsameren Timingeinstellungen arbeiten.
Warum ATI und Medion die Bezeichnung 9600 TX für einen höher getakteten Radeon 9500 Pro gewählt haben, erklärt sich wohl nur aus der Logik von Marketing-Strategen: Wer kauft schon einen Komplett-PC, in dem vermeintlich veraltete Hardware steckt, deren Nachfolger bereits vor der Tür steht? Doch der werbeträchtige Etikettenschwindel dürfte für den Käufer des Aldi-PCs sogar Vorteile bringen, denn derzeit ist eher unwahrscheinlich, dass sich eine Retail-Radeon 9600 in gängigen Spielebenchmarks gegen eine Radeon 9500 Pro behaupten könnte. Den RV350-Chips fehlen nämlich vier Pixelpipelines sowie zwei der vier Vertex Shader ihrer Vorgänger. Lediglich beim Radeon 9600 Pro kann man wegen seiner angekündigten Taktfrequenzen um 400/300 MHz sicher sein, dass er auch eine 9500 Pro abhängt.
Nebenbei liefert das Verwirrspiel eine mögliche Erklärung für die bereits kurz nach ihrer Markteinführung beschränkte Verfügbarkeit von Radeon-9500-Karten, denn nun wird offensichtlich, wo ein nicht unerheblicher Teil aus ATIs bisheriger Chipproduktion gelandet ist. Das könnte sich jetzt ändern. Eine Radeon 9600 TX wird man nach ATIs Aussagen jedoch nicht einzeln im Handel er
werben können -- möglicherweise entwickelt sie sich so auch noch zum Sammlerstück
Quelle
Wuahahahaha.