Mal ein wenig Lesefutter aus Mannheim
"Wir schlagen Portugal und kommen weiter"
HANNO BALITSCH: Der Kapitän ist vom Halbfinal-Einzug der DFB-Auswahl überzeugt
Von unserem Redaktionsmitglied Terence Träber
Die lang ersehnte Rückkehr des "Lokalmatadors" Hanno Balitsch ins Mannheimer Carl-Benz-Stadion fiel ins Wasser. Der Ex-Waldhöfer wurde Opfer der Rotation Stielikes und musste sich das 1:2 gegen Schweden von der Bank anschauen.
Herr Balitsch, hätten Sie gern in Mannheim gespielt?
HANNO BALITSCH: Natürlich, das ist mein Stadion. Hier bin ich groß geworden.
Trainer Ulli Stielike hat gegenüber dem Schweiz-Spiel gleich neun Änderungen vorgenommen. Wurden Sie darüber informiert und hatten Sie als Kapitän auf diese Entscheidung Einfluss?
BALITSCH: Der Trainer hat uns schon vor dem ersten Spiel mitgeteilt, dass er einige Änderungen vornehmen wird. Einfluss hatte ich keinen. Er hat wie immer die entsprechenden Namen an die Tafel geschrieben, das war's.
Halten Sie es für richtig, ein Sieger-Team gleich auf neun Positionen zu verändern?
BALITSCH: Ich werde die Entscheidungen des Trainers nicht kommentieren.
Haben Sie so etwas schon mal erlebt?
BALITSCH: Bei der U 18-EM vor vier Jahren haben wir gegen die Ukraine 0:1 verloren und anschließend sieben Mann ausgetauscht. Damals war das Ergebnis positiv, denn es gab ein 3:1 gegen die Niederlande.
Wie haben Sie das 1:2 gegen Schweden von der Bank aus gesehen?
BALITSCH: Die Schweden haben aus einer kompakten Abwehr heraus agiert und waren taktisch sehr diszipliniert. Gegen solche Mannschaften ist es immer schwer. Wir haben uns regelrecht einlullen lassen und aus dem Nichts das 0:1 kassiert. Andererseits haben uns sicherlich auch die kreativen Momente gefehlt.
Wie schätzen Sie nun die Chancen auf ein Weiterkommen ein?
BALITSCH: Das Spiel am Mittwoch gegen Portugal hat Viertelfinal-Charakter. Wir werden uns nicht auf Rechenspiele einlassen, sondern auf Sieg spielen - egal, welche Elf der Trainer ins Rennen schickt. Diejenigen, die auf dem Platz stehen, müssen ein Feuerwerk abbrennen und die Portugiesen nach Hause schicken.
Wie schlimm wären die Konsequenzen bei einem vorzeitigen Aus?
BALITSCH: Damit befasse ich mich nicht. Wir schlagen Portugal und kommen weiter.
© Mannheimer Morgen - 01.06.2004
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"Fünf Minuten Schlafmützigkeit teuer bezahlt"
DEUTSCHLAND: Nach dem 1:2 gegen Schweden steht die deutsche Elf gegen Portugal unter Druck / Stielike kritisiert Uefa
Wolfgang Knöß und Terence Träber
Von unseren Redaktionsmitgliedern
"Die Schweizer haben sehr kompakt gespielt und wir haben dagegen nur wenig Mittel gefunden." Ulli Stielike war nach dem mühsamen 2:1 (1:0)-Auftakterfolg gegen die Eidgenossen zwar erleichtert, doch irgendwie schien er bereits am Freitag zu ahnen, wie schwierig es werden würde, ins Halbfinale der U 21-Europameisterschaft vorzudringen. Und der erfahrene Trainer behielt Recht. Denn seine Analyse des ersten Spiels konnte er fast unverändert für den zweiten Auftritt seiner Elf am Sonntag gegen Schweden (1:2) übernehmen. Mit dem Unterschied, dass seine Mannschaft diesmal auf einen Gegner getroffen war, der die deutschen Schwächen gnadenlos ausnutzte und seinerseits über die nötige Qualität verfügte, nach 90 Minuten als Sieger vom Platz zu gehen.
"Ich werde einige Änderungen vornehmen, alle Spieler sollen zum Einsatz kommen", hatte Stielike vor der Partie gegen die Skandinavier erklärt. Dass er allerdings gleich neun Akteure austauschte und nur Keeper Wiese sowie Ersatzkapitän Christoph Preuß erneut ins Rennen schickte, überraschte nicht nur die 18 650 Zuschauer im ausverkauften Mannheimer Carl-Benz-Stadion. "Auch wir hatten darüber nachgedacht", sagte Schwedens Coach Torbjörn Nilsson, "uns aber letztendlich dafür entschieden, nur drei Spieler auszutauschen." Die Schuld für die 1:2-Niederlage wollte sich Stielike auf Grund seiner strittigen Personalentscheidung allerdings nicht in die Schuhe schieben lassen. "Nach dem Sieg gegen die Schweiz gingen einige Spieler auf dem Zahnfleisch. Die Uefa sollte sich besser mal überlegen, ob es Sinn macht, zwei Spiele innerhalb so kurzer Zeit anzusetzen", grantelte der deutsche U 21-Coach. Der gebürtige Ketscher zeigte sich mit der Unterstützung des Mannheimer Publikums zufrieden, wunderte sich aber zurecht, warum so viele Sitzschalen leer blieben: "Da werden Plätze nicht frei gegeben, während draußen die Menschen Schlange stehen und keine Karten mehr kriegen. Wenn wir uns durch übertriebene Sicherheitsvorkehrungen weiter so limitieren, spielen wir bald vor leeren Rängen." Der Auftritt seiner Jungs gegen defensivstarke Schweden war vor allem in der ersten Halbzeit schwach. Jönssons Direktabnahme (49.) und Elmanders Abstauber (62.) stellten die Weichen auf Niederlage. Die DFB-Auswahl kam erst in der Schlussphase in Schwung, doch der Anschlusstreffer des eingewechselten Auer fiel zu spät (84.). "Wir haben fünf Minuten Schlafmützigkeit teuer bezahlt", ärgerte sich Stielike, der meinte: "Mit der Mannschaft vom Schweiz-Spiel hätten wir heute mit vier Toren Unterschied verloren."
Ein Sieg und eine Niederlage stehen also für die deutsche U 21-Auswahl zu Buche, gegen die als Favorit ins Turnier gestarteten Portugiesen muss am Mittwoch (18.15 Uhr/live in Sat.1) mindestens ein Unentschieden her, um sicher unter die letzten Vier zu kommen. Und das wird nicht einfach, wie die Begegnung zwischen der Schweiz und Portugal bewies. Beim 2:2 trumpften die Südeuropäer 20 Minuten lang groß auf, boten Fußball vom Feinsten und gingen nach 0:1-Rückstand mit 2:1 in Führung. In Unterzahl - Ricardo Costa sah nach einem Ellenbogencheck Rot - kassierte das Team von Trainer José Romao zwar noch den Ausgleich, doch gegen den EM-Gastgeber wird die Elf noch einmal aufdrehen, um doch noch das Halbfinale zu erreichen. Auf die Deutschen wartet also ein hartes Stück Arbeit. "Es gibt noch viel zu tun", hatte Stielike nach den 90 Minuten gegen die Schweiz festgestellt. An dieser Tatsache hat sich nichts geändert.
© Mannheimer Morgen - 01.06.2004
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"Elche" erobern Mannheim
SCHWEDEN: Nilsson-Truppe ist das Überraschungsteam
Torbjörn Nilsson saß völlig entspannt in der Ecke der Dorint-Hotelbar und hielt mit den schwedischen Delegationsmitgliedern ein gemütliches Schwätzchen. Der Ex-Lauterer, der von 1982 bis '84 in 65 Spielen 22 Tore für die "Roten Teufel" schoss, durfte sich locker zurücklehnen. Während nur wenige Meter weiter das Mannheimer Stadtfest lärmte, diskutierten der schwedische U 21-Trainer und seine Landsleute über den verdienten 2:1-Sieg der "tre kronor" - der"Drei Kronen", so werden schwedische Auswahlmannschaften genannt - gegen die DFB-Auswahl. Die jungen Skandinavier sind nicht nur das Überraschungsteam dieser EM, sondern als einzige Mannschaft bereits für das Halbfinale qualifiziert.
Schon beim 3:1-Erfolg am Freitagabend gegen den Favoriten Portugal ließen die Nilsson-Schützlinge aufhorchen. Eine halbe Stunde lang sahen sie wie der sichere Verlierer aus, doch dann drehte Johan Elmander auf. Der Profi des niederländischen Erstligisten NAC Breda, der auch schon für das große Feyenoord die Stiefel schnürte, drehte mit zwei blitzsauberen Treffern den Spieß um und avancierte zum "Man of the match", also zum von der Uefa offiziell gekürten besten Akteur des Spiels. Nur zwei Tage später musste Elmander, der gerade seinen 23. Geburtstag gefeiert hatte, den schwedischen Journalisten Rede und Antwort stehen: Nach seinem vorentscheidenden Tor zum 2:0 gegen die DFB-Elf wurde er erneut ausgezeichnet. Aber Schweden ist nicht nur Elmander. Die Blau-Gelben überzeugten mit technisch versierten Spielern wie Stefan Ishizaki (FC Genua) oder Babis Stefanidis (Djurgårdens IF) sowie durch eine kompakte Abwehr und brandgefährliches Konterspiel.
"Wir wussten, dass wir Portugal schlagen können", erklärte Nilsson in skandinavischer Gelassenheit. "Deshalb haben wir nach dem 0:1 auch unsere Taktik nicht verändert." Der Standort Mannheim scheint den Schweden richtig gut zu tun. Sie sind das einzige Team, das alle Vorrundenspiele in der Quadratestadt austrägt. Morgen treffen die "Elche" auf die Schweiz. Den Gruppensieg haben sie schon in der Tasche. Vielleicht wird's für Nilsson, Elmander und Co. sogar noch mehr. tet
© Mannheimer Morgen - 01.06.2004