Bronson
Neuling
Die Spieltrends von Morgen
Phil Harrison ist kein Promi, obwohl er wie kaum ein anderer die Weichen stellt für die kommenden Trends im Spielemarkt. SPIEGEL ONLINE sprach mit ihm über Sonys Zukunftspläne, über Eyetoy, die Playstation für die Hosentasche und Deutschland, das Daddelbrachland.
SPIEGEL ONLINE: Heutzutage hampeln Leute gerne vor Kameras herum, um im Fernsehen zu landen. Ist Eyetoy deshalb so beliebt?
Phil Harrison: Jedenfalls ist Eyetoy ganz anders als die Games, die man so kennt. Meine Mutter zum Beispiel rührt sonst kein Videospiel an. Aber neulich hab ich ihr Eyetoy mitgebracht, und sie war total begeistert. Wissen Sie, was sie gesagt hat? Sie spielt mit dem Fernseher! Für sie ist Eyetoy gar kein Videospiel, sondern Fernsehen zum Mitmachen.
SPIEGEL ONLINE: Sony hat im Mai Schlagzeilen gemacht mit der Ankündigung, Ende 2004 ein mobiles Videospielsystem auf den Markt bringen zu wollen. Hatten sie schon so ein Playstation Portable in der Hand?
Harrison: Falls Sie einen voll funktionierenden Prototyp meinen, nein. Ist noch zu früh dafür. Wir kommen schließlich erst Weihnachten 2004 damit auf den Markt.
SPIEGEL ONLINE: Aber Ihre Strategien stehen, und die Konkurrenz heißt Gameboy. Wie soll Ihr Playstation Portable (PSP) Nintendos etabliertem Handapparat das Wasser abgraben?
Harrison: Wir zielen mit dem Gerät auf eine andere Zielgruppe als Nintendo. Wir wollen, dass Erwachsene auf ihr PSP stolz sind. Dazu gehört ein Design, das ich anspruchsvoll nennen würde. PSP sieht aus wie ein typisches Sony-Produkt aus der Unterhaltungselektronik, elegant und mit klaren Linien. Gleichzeitig setzt es den Playstation-Stil fort und schlägt eine Brücke zwischen Unterhaltungselektronik und Gaming. Denn PSP ist mehr als ein Videospiel: Wir können auf dem Datenträger bis zu zwei Stunden lange Filme unterbringen.
SPIEGEL ONLINE: Und was ist noch drin?
Harrison: Ich darf nicht allzu viel verraten. Aber für eine richtig spannende Neuerung halte ich positionsabhängiges Gaming. Der Ort, an dem man sich befindet, beeinflusst den Spielverlauf.
SPIEGEL ONLINE: Wie soll das funktionieren? Ist ein GPS-Empfänger im System eingebaut?
Harrison: Eingebaut nicht, aber man wird ihn nachrüsten können.
SPIEGEL ONLINE: Funktechnologie soll die PSP-Spieler vernetzen. Aber wollen die Leute das? Selbst Onlinegaming tut sich doch schwer, wenn man die Verkaufszahlen des Onlineadapters für Playstation 2 besieht.
Harrison: Wir haben in Europa bisher etwa 50.000 Stück davon verkauft. Das entspricht unseren Zielen.
SPIEGEL ONLINE: Es könnten aber mehr sein, wenn es interessantere Spiele gäbe.
Harrison: Mag sein. Ich finde die Spieleauswahl okay, gemessen daran, dass es Onlinegaming für Playstation 2 erst seit Ende Juni gibt. Wir fangen langsam an und sehen zu, dass die Technik funktioniert. Die Server müssen stabil laufen, für den Kunden muss die Installation des Onlineadapters ein Klacks sein. Gibt's ein Problem, muss die Hotline Fragen beantworten
können. Jetzt scheint alles zu klappen. Mit "This is Football 2004" und "Gran Turismo 4" wird Onlinegaming Ende des Jahres ein großes Thema.
SPIEGEL ONLINE: Wie hat Sony den Spielemarktführer Electronic Arts herumgekriegt, wichtige Sportspiele wie "FIFA 2004" nur für die Playstation 2 mit Onlinefunktionen auszustatten?
Harrison: Electronic Arts mag unser offenes Herangehen. Wir zwingen das Unternehmen nicht, unsere Server zu nutzen und Gelder über uns abzurechnen, wie Microsoft das tut. Electronic Arts glaubt genauso fest an Onlinegaming wie wir, deshalb wollen sie ein eigenes Netzwerk aufbauen.
SPIEGEL ONLINE: Deutsche konsumieren zwar Videospiele, aber produziert werden sie in England, Japan, USA und im Ostblock. Warum nicht hier?
Harrison: In Frankreich werden Spielehersteller vom Staat mit Geldern unterstützt, weil man die Games-Industrie dort als aufstrebenden Wirtschaftszweig erkannt hat. Bei uns in England gibt es Ausbildungsmöglichkeiten und Unternehmen, die mit Perspektiven und Karrierechancen den Nachwuchs anlocken. In Deutschland finden sich nicht einmal Investoren, die eine professionelle Spieleproduktion ankurbeln. Wenn es an die großen Entscheidungen geht, nimmt da oben doch kaum jemand Videospiele ernst.
SPIEGEL ONLINE: Wie viel Geld müsste ein Investor mitbringen?
Harrison: Heute kostet eine Produktion zehn Millionen Dollar, so wie bei unserem "The Getaway". Aber das Spiel hat sich 2,5 Millionen Mal verkauft und seine Kosten mehrfach eingespielt. Die Kosten steigen weiter. Electronic Arts lässt 120 Leute an seinem Spiel zum dritten "Herr der Ringe"-Streifen arbeiten. Das sind Dimensionen wie bei Kinoproduktionen. Trotzdem wird Electronic Arts gut verdienen. Auch dann, wenn ein Game in zehn Jahren 100 Millionen Dollar verschlingt.
SPIEGEL ONLINE: In Deutschland gibt es einige Trick- und Filmstudios. Wäre das vorhandene Know-how nicht eine gute Basis für den Aufbau eines deutschen Spielestudios?
Harrison: Die Idee kreist mir schon länger im Kopf herum. Die deutsche Spieleindustrie stirbt seit Jahren. Das ist schade, gerade weil viele talentierte Leute ins Ausland abwandern. Nur hab ich bisher nicht den Mann kennen gelernt, der ein deutsches Sony-Spielestudio leiten könnte. Ich habe in den vergangenen Jahren mit vielen Leuten gesprochen, aber bisher ist kein Funke übergesprungen. Vielleicht fühlt sich ja einer Ihrer Leser angesprochen. Wäre großartig, jemand zu finden.
SPIEGEL ONLINE: Ein Stellenangebot! Auf was lässt sich jemand ein, der so einen Job übernimmt?
Harrison: Auf eine interessante Herausforderung. In zehn Jahren bekommen wir Spiele, die von Kinofilmen nicht zu unterscheiden sind. Momentan geht's beim Gaming doch fast immer nur um den Wettbewerb, den nächsten Level zu erreichen oder den Highscore zu knacken. Davon müssen wir weg. Wir brauchen Spiele, die Geschichten erzählen.
Das Interview führte Richard Löwenstein
Phil Harrison, 33, ist Produktionsleiter der Spieleentwicklung von Sony in England. Er leitet Studios in London, Cambridge, Soho un
d Liverpool. Hier entstehen Ideen, die die Trends im Spielemarkt setzen. So wie Eyetoy: eine Einstiegsdroge ins Videospiel, die selbst Mütter begeistert - jedenfalls seine, wie Harrison im Gespräch verrät
Quelle
Phil Harrison ist kein Promi, obwohl er wie kaum ein anderer die Weichen stellt für die kommenden Trends im Spielemarkt. SPIEGEL ONLINE sprach mit ihm über Sonys Zukunftspläne, über Eyetoy, die Playstation für die Hosentasche und Deutschland, das Daddelbrachland.
SPIEGEL ONLINE: Heutzutage hampeln Leute gerne vor Kameras herum, um im Fernsehen zu landen. Ist Eyetoy deshalb so beliebt?
Phil Harrison: Jedenfalls ist Eyetoy ganz anders als die Games, die man so kennt. Meine Mutter zum Beispiel rührt sonst kein Videospiel an. Aber neulich hab ich ihr Eyetoy mitgebracht, und sie war total begeistert. Wissen Sie, was sie gesagt hat? Sie spielt mit dem Fernseher! Für sie ist Eyetoy gar kein Videospiel, sondern Fernsehen zum Mitmachen.
SPIEGEL ONLINE: Sony hat im Mai Schlagzeilen gemacht mit der Ankündigung, Ende 2004 ein mobiles Videospielsystem auf den Markt bringen zu wollen. Hatten sie schon so ein Playstation Portable in der Hand?
Harrison: Falls Sie einen voll funktionierenden Prototyp meinen, nein. Ist noch zu früh dafür. Wir kommen schließlich erst Weihnachten 2004 damit auf den Markt.
SPIEGEL ONLINE: Aber Ihre Strategien stehen, und die Konkurrenz heißt Gameboy. Wie soll Ihr Playstation Portable (PSP) Nintendos etabliertem Handapparat das Wasser abgraben?
Harrison: Wir zielen mit dem Gerät auf eine andere Zielgruppe als Nintendo. Wir wollen, dass Erwachsene auf ihr PSP stolz sind. Dazu gehört ein Design, das ich anspruchsvoll nennen würde. PSP sieht aus wie ein typisches Sony-Produkt aus der Unterhaltungselektronik, elegant und mit klaren Linien. Gleichzeitig setzt es den Playstation-Stil fort und schlägt eine Brücke zwischen Unterhaltungselektronik und Gaming. Denn PSP ist mehr als ein Videospiel: Wir können auf dem Datenträger bis zu zwei Stunden lange Filme unterbringen.
SPIEGEL ONLINE: Und was ist noch drin?
Harrison: Ich darf nicht allzu viel verraten. Aber für eine richtig spannende Neuerung halte ich positionsabhängiges Gaming. Der Ort, an dem man sich befindet, beeinflusst den Spielverlauf.
SPIEGEL ONLINE: Wie soll das funktionieren? Ist ein GPS-Empfänger im System eingebaut?
Harrison: Eingebaut nicht, aber man wird ihn nachrüsten können.
SPIEGEL ONLINE: Funktechnologie soll die PSP-Spieler vernetzen. Aber wollen die Leute das? Selbst Onlinegaming tut sich doch schwer, wenn man die Verkaufszahlen des Onlineadapters für Playstation 2 besieht.
Harrison: Wir haben in Europa bisher etwa 50.000 Stück davon verkauft. Das entspricht unseren Zielen.
SPIEGEL ONLINE: Es könnten aber mehr sein, wenn es interessantere Spiele gäbe.
Harrison: Mag sein. Ich finde die Spieleauswahl okay, gemessen daran, dass es Onlinegaming für Playstation 2 erst seit Ende Juni gibt. Wir fangen langsam an und sehen zu, dass die Technik funktioniert. Die Server müssen stabil laufen, für den Kunden muss die Installation des Onlineadapters ein Klacks sein. Gibt's ein Problem, muss die Hotline Fragen beantworten
können. Jetzt scheint alles zu klappen. Mit "This is Football 2004" und "Gran Turismo 4" wird Onlinegaming Ende des Jahres ein großes Thema.
SPIEGEL ONLINE: Wie hat Sony den Spielemarktführer Electronic Arts herumgekriegt, wichtige Sportspiele wie "FIFA 2004" nur für die Playstation 2 mit Onlinefunktionen auszustatten?
Harrison: Electronic Arts mag unser offenes Herangehen. Wir zwingen das Unternehmen nicht, unsere Server zu nutzen und Gelder über uns abzurechnen, wie Microsoft das tut. Electronic Arts glaubt genauso fest an Onlinegaming wie wir, deshalb wollen sie ein eigenes Netzwerk aufbauen.
SPIEGEL ONLINE: Deutsche konsumieren zwar Videospiele, aber produziert werden sie in England, Japan, USA und im Ostblock. Warum nicht hier?
Harrison: In Frankreich werden Spielehersteller vom Staat mit Geldern unterstützt, weil man die Games-Industrie dort als aufstrebenden Wirtschaftszweig erkannt hat. Bei uns in England gibt es Ausbildungsmöglichkeiten und Unternehmen, die mit Perspektiven und Karrierechancen den Nachwuchs anlocken. In Deutschland finden sich nicht einmal Investoren, die eine professionelle Spieleproduktion ankurbeln. Wenn es an die großen Entscheidungen geht, nimmt da oben doch kaum jemand Videospiele ernst.
SPIEGEL ONLINE: Wie viel Geld müsste ein Investor mitbringen?
Harrison: Heute kostet eine Produktion zehn Millionen Dollar, so wie bei unserem "The Getaway". Aber das Spiel hat sich 2,5 Millionen Mal verkauft und seine Kosten mehrfach eingespielt. Die Kosten steigen weiter. Electronic Arts lässt 120 Leute an seinem Spiel zum dritten "Herr der Ringe"-Streifen arbeiten. Das sind Dimensionen wie bei Kinoproduktionen. Trotzdem wird Electronic Arts gut verdienen. Auch dann, wenn ein Game in zehn Jahren 100 Millionen Dollar verschlingt.
SPIEGEL ONLINE: In Deutschland gibt es einige Trick- und Filmstudios. Wäre das vorhandene Know-how nicht eine gute Basis für den Aufbau eines deutschen Spielestudios?
Harrison: Die Idee kreist mir schon länger im Kopf herum. Die deutsche Spieleindustrie stirbt seit Jahren. Das ist schade, gerade weil viele talentierte Leute ins Ausland abwandern. Nur hab ich bisher nicht den Mann kennen gelernt, der ein deutsches Sony-Spielestudio leiten könnte. Ich habe in den vergangenen Jahren mit vielen Leuten gesprochen, aber bisher ist kein Funke übergesprungen. Vielleicht fühlt sich ja einer Ihrer Leser angesprochen. Wäre großartig, jemand zu finden.
SPIEGEL ONLINE: Ein Stellenangebot! Auf was lässt sich jemand ein, der so einen Job übernimmt?
Harrison: Auf eine interessante Herausforderung. In zehn Jahren bekommen wir Spiele, die von Kinofilmen nicht zu unterscheiden sind. Momentan geht's beim Gaming doch fast immer nur um den Wettbewerb, den nächsten Level zu erreichen oder den Highscore zu knacken. Davon müssen wir weg. Wir brauchen Spiele, die Geschichten erzählen.
Das Interview führte Richard Löwenstein
Phil Harrison, 33, ist Produktionsleiter der Spieleentwicklung von Sony in England. Er leitet Studios in London, Cambridge, Soho un
d Liverpool. Hier entstehen Ideen, die die Trends im Spielemarkt setzen. So wie Eyetoy: eine Einstiegsdroge ins Videospiel, die selbst Mütter begeistert - jedenfalls seine, wie Harrison im Gespräch verrät
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