ANKES ERSTE LATE NIGHT
Der Kreativpausenclown
Von Reinhard Mohr
Bastian Pastewka spielte Jojo, Sting wunderte sich über die possierlichen Deutschen, und Anke Engelke rang um ihren Standpunkt in der "Stand-up"-Comedy: Seit der ersten "Anke Late Night" gestern Abend wünscht man sich das Ende der Schmidtschen Kreativpause umso sehnlicher herbei.
Und dann hat es "Plopp" gemacht. Nachdem sich der Hype um Anke Engelke in den letzten Tagen orkanartig verstärkt hatte und die Frage, wie sie denn nun in die Fußstapfen ihres großen Kollegen Harald Schmidt treten würde, das Selbstverständnis der Nation im Innersten zu bewegen schien, war die Premiere von "Anke Late Night" gestern Nacht ein Akt der Entspannung und Erholung. Wer will, kann es auch eine Enttäuschung nennen.
Sie ist von vielen vorhergesehen worden, und auch die Protagonistin erwartet zunächst angeblich nichts anderes als Verrisse. Noch radikaler äußert sich, wie stets, ihr berühmter, aber auch schwer geprüfter Vorgänger. Wer Harald Schmidt am vergangenen Freitag zufällig in der Kölner City traf, der vernahm den weisen Rat des Altmeisters in der Kreativpause: "Eigentlich sollte die Fernsehkritik in den ersten vier Jahren der Show verboten werden. Danach ist es OK".
Leider ist der Vertrag zwischen Sat.1 und der "einzigen und unangefochtenen Queen of Late Night", wie sie gestern Abend angekündigt wurde, auf drei Jahre befristet. Aber Kritik kann ja auch konstruktiv sein. Schon die ersten Minuten des "Stand-up" von Anke Engelke, die sich für ein schulterfreies schwarzes Top und einen hellen Rock entschieden hatte, veranschaulichten das Problem: Sie hat noch keinen rechten Stand, von Standpunkt ganz zu schweigen. Ziemlich angespannt und ein bisschen müde wirkend sagte sie ihre vorformulierten Gags auf, die keine waren. Verkehrsminister Stolpes Schwadronieren über eine "PKW-Maut" sei wie "Straßenstrich ohne Sex", die Privatisierungspläne von Wirtschaftsminister Clement dagegen längst überholt: "Die linke Spur gehört ja schon BMW!"
Das zündete auch im extrem lachbereiten Studiopublikum nicht wirklich, und zu Hause vor dem Bildschirm wurde der Zeigefinger an der Fernbedienung ganz nervös, denn zum 100. Geburtstag von Jean Gabin lief zur gleichen Zeit der wunderbare Film von René Clément aus dem Jahr 1948 "Die Mauern von Malapaga" (MDR). Hätte man nur auf Harald Schmidt gehört.
Egal. Immerhin erfuhren die Zuschauer noch einmal persönlich, dass Claus Fischer, der Chef der "Electric Lady Band", Ankes Freund ist.
Doch auch ihre ironisch gemeinte Anspielung auf den "großen, älteren Kollegen" verpuffte in der Untiefe des Raumes - "Jürgen Fliege...", und erst der Hinweis auf "Max' großartigen achten Platz in Istanbul" ließ die fanartige Geräuschkulisse wieder etwas anwachsen. Noch schnell den aktuellen SPIEGEL-Titel aufgegriffen und die blöden Buben beschimpft - "Jungs, ihr seid dümmer als wir!! Aber keine Angst: Eure Vorbilder machen nur eine Kreativpause!" -, und das war's dann schon. Immerhin, sie hatte es hinter sich. Nachdem sie am orange-weißen Designerschreibtisch ein bisschen Wasser verkippt hatte, lief der erste rettende Einspielfilm. Ein Casting-Video, in dem sich Nena, Angela M., Lisa Fitz und Linda de Mol als Late-Night-Moderatorinnen bewerben - natürlich von Anke parodiert.
Klar, das kann sie und hat es in der seligen "Wochenshow" ebenso bewiesen wie in ihrer Comedy-Serie "Ladykracher". Aber das war Comedy, der gespielte Sketch, nicht Late Night, der ironische Blick auf die Welt.
Und das ist auch das Kernproblem von "Anke Late Night": Das gesamte Setting der Show ist wie ein Korsett, das ihr nicht passt. Die politischen Themen sind ihr spürbar fremd, und auch das freihändige Herumphilosophieren über Gott und die Welt ist ihre Sache nicht. Sie braucht einen festen dramaturgischen Rahmen.
Weil sie das selber weiß, hat sie, nach der ersten Werbepause, gleich den nächsten vorproduzierten Einspieler auf Lager, der, sparsame Zweitverwertung, schon in einer Pilotsendung benutzt wurde: den "Roger Willemsen Klugscheißer" mit Austauschfrisur und Fernbedienung, ein vollautomatisches Hilfsgerät für intellektuell Unterprivilegierte. Das roboterartige Wesen kennt 5000 Fremdwörter auswendig und kann sie sekundenschnell in jeder beliebigen Zusammensetzung ausspucken. Tolle Sache, und der echte Roger auf Rädern spielte auch schön mit: "Hallo, kaufen Sie mir!" stieß er am Ende heraus. So viel Verona-Verehrung muss sein.
Warum dann noch Udo Lindenbergs 58. Geburtstag begangen werden musste, blieb nur so lange unklar, bis der nächste vorbereitete Film kam: "Die Engelkes", sechs lustige und gänzlich verschiedene Schwestern, gratulierten dem Altrocker auf je eigene Weise. Das war nun auch raus. Die "Sechs Engelkes", so viel ist sicher, werden zur Grundausstattung der Show gehören - womöglich sind sie Ankes rettende Engel.
Dann der erste Gast, Bastian Pastewka, Ankes Ex-Kollege aus der "Wochenshow". Ein Heimspiel. Ein Heimspiel allerdings für Pastewka, der die Gesprächsführung männlich-dezent an sich riss. Ein kurzer Ausschnitt aus seiner filigran-intellektuellen Edgar-Wallace-Parodie "Der Wixxer" ließ ahnen, dass wir tatsächlich in den fetten Jahren des deutschen Films angelangt sind. Cannes und Venedig müssen sich warm anziehen. Längst hatte "Anke Late Night" derweil Phase 2 erreicht - den ewig währenden Kindergeburtstag. Es wurde Jojo gespielt, man setzte bunte Brillen auf und erriet komische Gegenstände. Sting, der nächste Gast, der wegen akuter Stimmprobleme sowieso nicht viel reden konnte, mag sich über die possierlichen, mit sich selbst beschäftigten Deutschen gewundert haben, aber wenigstens musste er nicht selbst "Roxanne" singen. Das übernahm Anke für ihn. Eine nette Geste.
Als dann auch noch Stefan Raab und Max Mutzke, der Achtplatzierte des Eurovision Song Contest, ihren Song auf türkisch intonierten, war klar: Von diesem Deutschland anno 2004 geht wirklich keine Gefahr mehr aus.
Leider auch kein Witz. Jedenfalls an diesem Abend. Von Esprit, Leichtigkeit, bösem Zynismus und sarkastischem Bezug auf die irre Welt da draußen, außerhalb des schönen Studios von Köln-Mülheim, gar nicht zu reden. Es kann ja sein, dass wir vier Jahre darauf warten müssen. Aber was machen wir in der Zwischenzeit? Vielleicht endet Harald Schmidts Kreativpause ja doch früher als gedacht.