Zwischen Desinteresse und Panik: Handys auf dem Strahlungs-Prüfstand
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In Deutschland gibt es mehr als 72 Millionen Handybesitzer. Manche nutzen ihr Mobiltelefon scheinbar pausenlos. Andere haben es nur dabei, um im Notfall erreichbar zu sein. Und so verschieden die Nutzung ist, so unterschiedlich gehen die Verbraucher auch mit dem Thema Mobilfunk und Gesundheit um: Die Spanne reicht von Desinteresse bis Panikmache. Welchen Einfluss die von Handys und Basisstationen verursachten elektromagnetischen Felder (EMF) auf die Gesundheit haben, sollen zahlreiche Studien klären.
Großen Anteil daran hat das
Deutsche Mobilfunk Forschungsprogramm : Unter Koordination des Bundesamtes für Strahlenschutz (
BfS) sollen 52 Forschungsvorhaben abgeschlossen werden. Ein Ziel ist es, Wirkungen grundsätzlich zu klären und mögliche Ursachen der Elektrosensibilität aufzudecken. Das Forschungsprogramm lassen sich das Umweltministerium und die Mobilfunkbetreiber 17 Millionen Euro kosten -- Geld, das nicht ausgegeben würde, gebe es nicht Ängste bei Verbrauchern und Experten.
"Diese Befürchtungen haben sich bisher jedoch nicht bestätigen lassen", sagt Professor Norbert Leitgeb von der
Technischen Universität Graz. Bernd Rainer Müller vom Bund für Umwelt und Naturschutz
(BUND) sieht das ähnlich: Es gebe zwar einige Hinweise darauf, dass die beim Mobilfunk entstehenden elektromagnetischen Felder die Gesundheit schädigen könnten. "Wissenschaftliche Beweise haben wir allerdings noch nicht", sagt der Ingenieur aus Lage (Nordrhein-Westfalen).
Einige Studien haben bereits ein erhöhtes Risiko festgestellt. Dazu gehört die
Naila-Studie aus der gleichnamigen Stadt in Bayern. Dort hatten Ärzte ermittelt, dass es nahe einer Basisstation mehr Krebsfälle als üblich gab. Das BfS aber zweifelte an der Aussagekraft der "Naila-Studie": Die Untersuchung habe methodische Mängel.
Doch selbst wenn Studien wissenschaftlicher Grundsätzen genügen, ziehen Experten daraus häufig unterschiedliche Schlüsse. "Das ist völlig normal, aber Laien leider oft schwer zu vermitteln", erklärt Leitgeb. Die Gründe sind vielfältig: Epidemiologische Studien etwa berücksichtigen die Lebenssituation der untersuchten Personen. Bei diesen Untersuchungen im realen Umfeld gibt es aber vergleichsweise viele Einflüsse, die das Ergebnis verfälschen können. Hinzu kommt Leitgeb zufolge, dass auch Studien veröffentlicht werden, deren Ergebnisse bekanntermaßen eine geringe Aussagekraft haben. So sorgten im Jahr 2004 zwei Studien aus Dänemark und Schweden für Aufsehen, weil sie einigen Experten zufolge einen Zusammenhang zwischen einer Tumorbildung und der Handynutzung feststellten. Beide Untersuchungen seien jedoch von vornherein als Teilstudien einer größeren internationalen Studie vorgesehen gewesen, weshalb die Zahl der untersuchten Personen vergleichsweise gering gewesen sei.
Wer eine endgültige Antwort auf die Frage erwartet, ob Mobilfunk krank macht, wird noch lange warten müssen: "Das kann keine einzelne Studie und kein Forschungsprogramm leisten", sagt Leitgeb. Denn dazu müssten Untersuchungen angestrengt werden, die Jahrzehnte dauern, um Langzeitwirkungen ausschließen zu können. Hinzu kommt, dass sich die Mobilfunktechnik laufend ändert -- die Voraussetzungen bleiben also nicht immer gleich. Auch die Art und Weise der Handynutzung ändert sich ständig, sagt Müller. Beim Verwenden einer eingebauten Kamera etwa wird das Handy anders gehalten als beim Telefonieren. "Das müsste in der Forschung mehr berücksichtigt werden."
heise