Bronson
Neuling
XBOX-MANAGER BRECHTMANN
Videospiele werden immer wieder verdächtigt, Gewalt zu fördern. Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE erklärt Deutschlands Xbox-Chef Stephan Brechtmann, warum das seiner Meinung nach nicht stimmt und weshalb Menschen gern Pinguine in Löwenkäfige stecken.
SPIEGEL ONLINE: Sie locken neue Käufer mit einer stark subventionierten Xbox, der meist ein Spiel gratis beiliegt. Ist das nicht für manchen Kunden der Einstieg die Computerspielsucht?
Stephan Brechtmann: Die Art der Frage impliziert, dass es in unserer Absicht läge, unsere Kunden in eine Drogen-artige Sucht zu treiben. Das ist absurd, und ich muss jede Unterstellung in dieser Richtung zurück weisen. Mit der gleichen Logik könnten Ausstattungspakete bei Neuwagen für Autobahnraser verantwortlich gemacht werden.
SPIEGEL ONLINE: Auch wenn Sie den Vergleich mit Suchtgefahren zurückweisen, so ähnelt der Verkauf von Konsolenspielen zumindest dem Geschäft mit Staubsaugerbeuteln oder Druckerpatronen. Das eigentliche Gerät ist vergleichsweise billig, das Verbrauchsmaterial teuer. Ist das nicht unseriös?
Brechtmann: Unser Modell ähnelt überhaupt nicht dem Verkauf von Druckerpatronen. Wenn die Patrone leer ist, sind Sie gezwungen, eine neue zu kaufen. Wenn Sie eine Konsole kaufen, sind Sie überhaupt nicht gezwungen, ein Spiel zu kaufen. Sie kaufen dieses nur, wenn es Sie wirklich interessiert. Folglich muss von diesem Spiel eine Faszination ausgehen.
SPIEGEL ONLINE: Warum aber sind Konsolenspiele so teuer?
Brechtmann: Die Frage ist, wie man teuer definiert. Neue PC-Spiele kosten im Schnitt 49 Euro, Konsolenspiele 59 Euro. Man muss aber berücksichtigen, dass neue Spiele mittlerweile, gerade solche für Konsolen, mit Filmproduktionen vergleichbar sind. Es geht dabei mitunter um zweistellige Millionenbeträge in der Entwicklung.
SPIEGEL ONLINE: Aber eine Film-DVD kostet ja auch nur 15 bis 25 Euro...
Brechtmann: Richtig. Aber hier ist es sinnvoll, ein Spiel einfach mal mit Alternativen zu vergleichen. Wenn ich zum Beispiel zu einem Bundesliga-Fußballspiel gehe, dann kostet eine Karte 30 Euro, und das ist noch nicht mal auf der Haupttribüne. Ich habe zwei Stunden Spaß, so denn die eigene Mannschaft gewinnt, oder zwei Stunden Ärger, wenn sie verliert. Bei zwei Spielen ist das schon teuerer als ein Konsolentitel. Ein Kinobesuch, kostet mich inklusive Popkorn und Getränke 13, 14 Euro. Das heißt ich bekomme für 60 Euro vier Kinobesuche. Wenn man aber bedenkt, dass anspruchsvolle Spiele durchaus 40 bis 50 Stunden Spieldauer haben, glaube ich, dass der Wert gerechtfertigt ist. Was die Sache aber schwierig macht, ist die Akzeptanz des Wertes von Software. Da haben wir ein generelles Wahrnehmungsproblem in Deutschland.
SPIEGEL ONLINE: Wie kommt es dann, dass PC-Spiele häufig billiger als Konsolentitel sind, obwohl sie grafisch viel mehr bieten?
Brechtmann: Das kann man so generell nicht sagen. Es gibt auch neue Konsolenspiele, die für nur 39 Euro angeboten werden. Und natürlich bestimmt die Entwicklung den Preis. Es gibt auch PC-Spiele die teuerer sind als die für Konsolen.
SPIEGEL ONLINE: Wenn man PC-Spiele von vor zehn Jahren mit dem vergleicht, was heute auf Konsolen gespielt wird, dann entdeckt man kaum Neues. Egoshooter, Racing, Rollenspiele allerorten. Warum fallen Ihnen keine echten Innovationen ein?
Brechtmann: Es kommt darauf an, wie Sie Innovation definieren. Wenn es allein darum geht, ein neues Genre zu erfinden, dann ist tatsächlich nicht viel passiert. Aber auch hier möchte ich eine Analogie aus dem Filmbereich verwenden: Da gibt es seit Beginn der Filmgeschichte Actionfilme oder Slapstick. Aber durch die Möglichkeiten von Computergrafik ist eine Menge im Kino passiert, und das ist auch bei Games so geschehen. Wenn man zum Beispiel den ersten Flugsimulator nimmt, der 1989 mit "realistischer geht es nicht mehr" beworben wurde, dann waren das zwei Striche auf einem Schwarzen Hintergrund, die sich bewegten. Heutige Flugsimulatoren sind unglaublich realistisch. Und das ist, so glaube ich, eine echte Innovation. Auch die Konsumenten scheinen solche Spiele als Innovation zu begreifen, sonst würden sich die Spiele nicht so gut verkaufen. Eine echte Innovation hat die Xbox mit den Live-Spielen gebracht. Es ist die erste Konsole, die tatsächlich onlinefähig ist.
SPIEGEL ONLINE: Das Online-Spiel haben Sie aber nicht erfunden, das gab's zuerst auf dem PC.
Brechtmann: Stimmt. Aber im Gegensatz zum PC-Spiel, bei dem ich das Netzwerk erst aufwendig konfigurieren muss, ist das Live-Gamen mit der Xbox sehr leicht möglich.
SPIEGEL ONLINE: Actiongames stehen unter dem Verdacht, Gewalt zu fördern. Warum haben Sie solche Spiele überhaupt im Programm?
Brechtmann: Actionspiele nehmen in der öffentlichen Darstellung viel mehr Raum ein, als sie faktisch an Bedeutung haben. Wenn ich die erfolgreichsten Spiele des letzten Jahres nehme, dann habe ich "Die Sims", ein Simulationsspiel, "Fifa", ein Fußballspiel, "Harry Potter".
SPIEGEL ONLINE: Aber auch Halo 2, ein klassischer Shooter.
Brechtmann: Das ist richtig. Aber hier sind wir in einem Bereich, den es genauso bei Filmen gibt: Es ist Action-Unterhaltung. Auch für Kinder und Jugendliche üben diese Games eine Faszination aus. Man muss dafür Sorgen, dass Kinder nur altersgerechte Spiele spielen. Im Übrigen ist die Position von Microsoft klar: Wir lehnen Gewaltverherrlichung ab.
SPIEGEL ONLINE: Wenn man sich aber "Need for Speed Underground 2" anschaut, dann kann man dort folgenlos schwere Unfälle bauen - das Auto geht niemals kaputt. Das soll keine Gewaltverherrlichung sein?
Brechtmann: Menschen spielen aus mehreren Gründen: Sie suchen Gemeinschaft, die Herausforderung, sie wollen Unterhaltung. Es hat aber auch den Hintergrund, Tabu- und Grenzverletzungen zu begehen, die nicht sanktioniert werden. Erinnern Sie sich an die Slapstick-Filme der zwanziger Jahre, da wurden Polizisten geschlagen. Actionspiele ermöglichen ebenfalls, Tabubrüche zu begehen, ohne eine strafrechtliche Sanktionierung fürchten zu müssen. Es wird häufig fälschlicherweise angenommen, dass diese Grenzverletzung in die reale Welt übertragen wird. Aber die absolute Mehrheit aller Spieler ist in der Lage, Spiel und Realität genau zu unterscheiden. Ich gebe ihnen ein Beispiel, dass geradezu unverfänglich ist: Wir haben ein Spiel namens "Zoo Tycoon", in dem man einen Zoo aufbauen muss mit Schimpansen, Löwen, Giraffen. Bei sehr vielen Menschen kam irgendwann die Frage: Was passiert, wenn man Pinguine in einen Löwenkäfig sperrt? Das war die Grenzverletzung, die reizte. Es ist eher die Lust der Menschen, etwas auszutesten, was sie in der realen Welt nie machen würden.
Das Gespräch führte Holger Dambeck
Stephan Brechtmann
Der 40-Jährige leitet seit Februar 2004 die Unterhaltungsabteilung bei Microsoft Deutschland, im Business-Deutsch Home & Entertainment Division genannt. Dazu gehören neben der Xbox auch PC-Spiele. Bevor Brechtmann zu Microsoft kam, arbeitete er als Manager bei Ferrero. Brechtmann ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er begeistert sich nicht nur für Konsolenspiele, sondern auch für Filme und den Marathonlauf.
Spiegel-Online
Videospiele werden immer wieder verdächtigt, Gewalt zu fördern. Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE erklärt Deutschlands Xbox-Chef Stephan Brechtmann, warum das seiner Meinung nach nicht stimmt und weshalb Menschen gern Pinguine in Löwenkäfige stecken.
SPIEGEL ONLINE: Sie locken neue Käufer mit einer stark subventionierten Xbox, der meist ein Spiel gratis beiliegt. Ist das nicht für manchen Kunden der Einstieg die Computerspielsucht?
Stephan Brechtmann: Die Art der Frage impliziert, dass es in unserer Absicht läge, unsere Kunden in eine Drogen-artige Sucht zu treiben. Das ist absurd, und ich muss jede Unterstellung in dieser Richtung zurück weisen. Mit der gleichen Logik könnten Ausstattungspakete bei Neuwagen für Autobahnraser verantwortlich gemacht werden.
SPIEGEL ONLINE: Auch wenn Sie den Vergleich mit Suchtgefahren zurückweisen, so ähnelt der Verkauf von Konsolenspielen zumindest dem Geschäft mit Staubsaugerbeuteln oder Druckerpatronen. Das eigentliche Gerät ist vergleichsweise billig, das Verbrauchsmaterial teuer. Ist das nicht unseriös?
Brechtmann: Unser Modell ähnelt überhaupt nicht dem Verkauf von Druckerpatronen. Wenn die Patrone leer ist, sind Sie gezwungen, eine neue zu kaufen. Wenn Sie eine Konsole kaufen, sind Sie überhaupt nicht gezwungen, ein Spiel zu kaufen. Sie kaufen dieses nur, wenn es Sie wirklich interessiert. Folglich muss von diesem Spiel eine Faszination ausgehen.
SPIEGEL ONLINE: Warum aber sind Konsolenspiele so teuer?
Brechtmann: Die Frage ist, wie man teuer definiert. Neue PC-Spiele kosten im Schnitt 49 Euro, Konsolenspiele 59 Euro. Man muss aber berücksichtigen, dass neue Spiele mittlerweile, gerade solche für Konsolen, mit Filmproduktionen vergleichbar sind. Es geht dabei mitunter um zweistellige Millionenbeträge in der Entwicklung.
SPIEGEL ONLINE: Aber eine Film-DVD kostet ja auch nur 15 bis 25 Euro...
Brechtmann: Richtig. Aber hier ist es sinnvoll, ein Spiel einfach mal mit Alternativen zu vergleichen. Wenn ich zum Beispiel zu einem Bundesliga-Fußballspiel gehe, dann kostet eine Karte 30 Euro, und das ist noch nicht mal auf der Haupttribüne. Ich habe zwei Stunden Spaß, so denn die eigene Mannschaft gewinnt, oder zwei Stunden Ärger, wenn sie verliert. Bei zwei Spielen ist das schon teuerer als ein Konsolentitel. Ein Kinobesuch, kostet mich inklusive Popkorn und Getränke 13, 14 Euro. Das heißt ich bekomme für 60 Euro vier Kinobesuche. Wenn man aber bedenkt, dass anspruchsvolle Spiele durchaus 40 bis 50 Stunden Spieldauer haben, glaube ich, dass der Wert gerechtfertigt ist. Was die Sache aber schwierig macht, ist die Akzeptanz des Wertes von Software. Da haben wir ein generelles Wahrnehmungsproblem in Deutschland.
SPIEGEL ONLINE: Wie kommt es dann, dass PC-Spiele häufig billiger als Konsolentitel sind, obwohl sie grafisch viel mehr bieten?
Brechtmann: Das kann man so generell nicht sagen. Es gibt auch neue Konsolenspiele, die für nur 39 Euro angeboten werden. Und natürlich bestimmt die Entwicklung den Preis. Es gibt auch PC-Spiele die teuerer sind als die für Konsolen.
SPIEGEL ONLINE: Wenn man PC-Spiele von vor zehn Jahren mit dem vergleicht, was heute auf Konsolen gespielt wird, dann entdeckt man kaum Neues. Egoshooter, Racing, Rollenspiele allerorten. Warum fallen Ihnen keine echten Innovationen ein?
Brechtmann: Es kommt darauf an, wie Sie Innovation definieren. Wenn es allein darum geht, ein neues Genre zu erfinden, dann ist tatsächlich nicht viel passiert. Aber auch hier möchte ich eine Analogie aus dem Filmbereich verwenden: Da gibt es seit Beginn der Filmgeschichte Actionfilme oder Slapstick. Aber durch die Möglichkeiten von Computergrafik ist eine Menge im Kino passiert, und das ist auch bei Games so geschehen. Wenn man zum Beispiel den ersten Flugsimulator nimmt, der 1989 mit "realistischer geht es nicht mehr" beworben wurde, dann waren das zwei Striche auf einem Schwarzen Hintergrund, die sich bewegten. Heutige Flugsimulatoren sind unglaublich realistisch. Und das ist, so glaube ich, eine echte Innovation. Auch die Konsumenten scheinen solche Spiele als Innovation zu begreifen, sonst würden sich die Spiele nicht so gut verkaufen. Eine echte Innovation hat die Xbox mit den Live-Spielen gebracht. Es ist die erste Konsole, die tatsächlich onlinefähig ist.
SPIEGEL ONLINE: Das Online-Spiel haben Sie aber nicht erfunden, das gab's zuerst auf dem PC.
Brechtmann: Stimmt. Aber im Gegensatz zum PC-Spiel, bei dem ich das Netzwerk erst aufwendig konfigurieren muss, ist das Live-Gamen mit der Xbox sehr leicht möglich.
SPIEGEL ONLINE: Actiongames stehen unter dem Verdacht, Gewalt zu fördern. Warum haben Sie solche Spiele überhaupt im Programm?
Brechtmann: Actionspiele nehmen in der öffentlichen Darstellung viel mehr Raum ein, als sie faktisch an Bedeutung haben. Wenn ich die erfolgreichsten Spiele des letzten Jahres nehme, dann habe ich "Die Sims", ein Simulationsspiel, "Fifa", ein Fußballspiel, "Harry Potter".
SPIEGEL ONLINE: Aber auch Halo 2, ein klassischer Shooter.
Brechtmann: Das ist richtig. Aber hier sind wir in einem Bereich, den es genauso bei Filmen gibt: Es ist Action-Unterhaltung. Auch für Kinder und Jugendliche üben diese Games eine Faszination aus. Man muss dafür Sorgen, dass Kinder nur altersgerechte Spiele spielen. Im Übrigen ist die Position von Microsoft klar: Wir lehnen Gewaltverherrlichung ab.
SPIEGEL ONLINE: Wenn man sich aber "Need for Speed Underground 2" anschaut, dann kann man dort folgenlos schwere Unfälle bauen - das Auto geht niemals kaputt. Das soll keine Gewaltverherrlichung sein?
Brechtmann: Menschen spielen aus mehreren Gründen: Sie suchen Gemeinschaft, die Herausforderung, sie wollen Unterhaltung. Es hat aber auch den Hintergrund, Tabu- und Grenzverletzungen zu begehen, die nicht sanktioniert werden. Erinnern Sie sich an die Slapstick-Filme der zwanziger Jahre, da wurden Polizisten geschlagen. Actionspiele ermöglichen ebenfalls, Tabubrüche zu begehen, ohne eine strafrechtliche Sanktionierung fürchten zu müssen. Es wird häufig fälschlicherweise angenommen, dass diese Grenzverletzung in die reale Welt übertragen wird. Aber die absolute Mehrheit aller Spieler ist in der Lage, Spiel und Realität genau zu unterscheiden. Ich gebe ihnen ein Beispiel, dass geradezu unverfänglich ist: Wir haben ein Spiel namens "Zoo Tycoon", in dem man einen Zoo aufbauen muss mit Schimpansen, Löwen, Giraffen. Bei sehr vielen Menschen kam irgendwann die Frage: Was passiert, wenn man Pinguine in einen Löwenkäfig sperrt? Das war die Grenzverletzung, die reizte. Es ist eher die Lust der Menschen, etwas auszutesten, was sie in der realen Welt nie machen würden.
Das Gespräch führte Holger Dambeck
Stephan Brechtmann
Der 40-Jährige leitet seit Februar 2004 die Unterhaltungsabteilung bei Microsoft Deutschland, im Business-Deutsch Home & Entertainment Division genannt. Dazu gehören neben der Xbox auch PC-Spiele. Bevor Brechtmann zu Microsoft kam, arbeitete er als Manager bei Ferrero. Brechtmann ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er begeistert sich nicht nur für Konsolenspiele, sondern auch für Filme und den Marathonlauf.
Spiegel-Online