Das Imperium rief zurück
Vor sechs Jahren zog Julian Eggebrecht mit seiner Firma von Köln nach Kalifornien. Nun ist er weltweit einer der gefragtesten Entwickler virtueller Ballerwelten.
Niemand kann sagen, Julian Eggebrecht hätte nicht wenigstens versucht, seine Eltern glücklich zu machen. Dr. Eva und Prof. Dr. Arne Eggebrecht, Archäologen aus Hildesheim, wünschten sich sehnlichst einen Akademiker-Sohn. Einen mit Doktortitel, mindestens.
So kündigte ihr Spross 1991 schweren Herzens seinen geliebten Job beim deutschen Videospiel-Verlag Rainbow Arts, für den er nach dem Abitur zwei Jahre lang entwickelt hatte. Er packte seine Sachen, zog nach München und begann ein Filmstudium. Immerhin, auch wenn er nur zwei Stunden durchhielt. Dann zogen die dunklen Mächte des Todessterns den eingefleischten "Star Wars"-Fan aus dem Hörsaal an seine Spielkonsole zurück. Eggebrecht wollte keinen Titel. Er wollte Game-Boy werden.
Seine Mutter war geschockt, als er sich für die vermeintliche Ballerbranche entschied. Doch heute ist der Junge aus Hildesheim einer der gefragtesten Videospielentwickler der Welt - und eine der Hauptfiguren im Kampf der Spielkonsolen-Giganten.
Microsoft, Sony und Nintendo liefern sich zurzeit eine Schlacht um Wohn- und Kinderzimmer. Mit Millionenaufwand versucht Microsoft, mit der X-Box die Vorherrschaft von Sonys Playstation 2 und Nintendos neuem Gamecube zu brechen. Erste Folge: ein erbitterter Preiskrieg. Die X-Box, ursprünglich 479 Euro teuer, wird seit Ende April für 299 Euro angeboten.
Mittendrin im Kampf der Konsolen steht Julian Eggebrecht und freut sich. Denn Spielecomputer leben von der Software: Nur wer gute Spiele anbietet, verkauft auch die Kiste drum herum. Factor 5 gilt als Erfolgsschmiede.
Am Firmensitz im kalifornischen San Rafael können sich die Konsolen-Konkurrenten gegenseitig begrüßen, um Eggebrechts Team aus Programmierern, Künstlern und Musikern für ihre Systeme zu gewinnen. "Mittlerweile wähle ich die Angebote so sorgfältig aus wie ein Filmstudio ein Drehbuch", sagt der 33-Jährige, "immerhin verbringe ich ein bis zwei Jahre meines Lebens" mit der Entwicklung eines einzigen Videospektakels.
Den letzten Großauftrag erhielt er von Nintendo - eine Auszeichnung angesichts der Tatsache, dass der japanische Konzern bei der Einführung neuer Konsolen nur selten auf den Spielwitz von Außenstehenden vertraut. Zum prestigeträchtigen Start des Gamecube durfte Eggebrecht das "Star Wars"-Spiel "Rogue Leader" entwerfen. Und nie zuvor hat Eggebrecht mehr geschwitzt.
Factor 5 hatte nur neun Monate Zeit. Und das alles, während gleichzeitig an der Technik der Konsole gebastelt wurde. Bis zur letzten Minute arbeiteten Eggebrecht & Co. an der galaktischen Schlacht des Schurkengeschwaders, 40-mal wurde die Optik des Todessterns überarbeitet. Mit Erfolg. "Rogue Leader" traf den Markt zielgenau wie ein Laserschwert. Auch beim gerade erfolgten Deutschland-Start avancierte es sofort zum meistverkauften Gamecube-Spiel, das sich weltweit
rund zwei Millionen Mal verkaufen dürfte.
Die Fachwelt jubelt. Ein "Sprengfeuer" sei das, ein "neuer Standard für 'Star Wars'-Spiele", urteilte das Online-Magazin "GameSpot". "Gaming Age" stellte fest: "'Rogue Leader' ist das absolut beste Spiel zur Einführung des Gamecube." Und Nintendo-Deutschland-Chef Axel Herr glaubt: "Der Julian ist brillant, ein Genie."
Den Gelobten freut vor allem, dass seine Arbeit langsam auch in Deutschland anerkannt wird. "Videospielen fehlt die kulturelle Akzeptanz, die der Film hat", sagt er. Nicht zuletzt wegen der hier zu Lande abschätzigen Haltung gegenüber Videospielen zog er mit seiner Firma 1996 von Köln nach Kalifornien um. Nun residiert Factor 5 nur wenige Meter neben George Lucas' Skywalker-Ranch - dem nahezu mythischen Ort, mit dem auch für Eggebrecht alles begann.
Mitte der achtziger Jahre tat sich der Teenager mit Hildesheimer Computerhackern zusammen. Als sie den Spielklassiker "BallBlazer" auf dem damals neuen Amiga-Computer umsetzen wollten, rief Eggebrecht erstmals bei Lucasfilm an. Deren deutscher Vertreter Rainbow Arts bot ihm einen Vertrag und bald darauf einen Job an. 1987 gründete er mit vier Freunden Factor 5 und landete erste eigene Hits wie "Turrican".
Eggebrecht entwickelte fortan für Sega und Nintendo, als der erste große Auftrag von LucasArts kam: "Indiana Jones - Greatest Adventures". Der prominente Kunde war beeindruckt. Das Imperium rief immer wieder zurück, bis sich Eggebrecht zum Umzug entschloss.
"Traurig" findet er, dass seine Firma Deutschland verlassen musste. Schuld sei die teils arrogante Missachtung der Deutschen gegenüber dieser Art von Entertainment. Nach dem Schulmassaker von Erfurt ist sein Job indes nicht einfacher geworden. "Natürlich muss eine Debatte stattfinden, doch die muss alle Medien einbeziehen", sagt Eggebrecht.
Er selbst mag keine blutrünstigen Spiele wie "Counterstrike" oder "Resident Evil", doch kennt er viele Fans der Gemetzel. Von denen sei keiner zum Killer geworden. Die Leute könnten zwischen Spiel und Wirklichkeit unterscheiden.
Bizarrer findet Eggebrecht eher den Auftritt der U. S. Army bei der großen "Electronic Entertainment"-Messe vergangene Woche in Los Angeles. Dort stellten bewaffnete Soldaten ein aggressives Ballerspiel vor, das demnächst umsonst auf der Website des Militärs bereitstehen soll.
Zielgruppe: Army-Anwärter, die schon vor ihrer Ausbildung per Videospiel Scharfschützen mimen und alles abknallen können, was sich bewegt. Die Kulisse ähnelt Afghanistan.
MICHAELA SCHIESSL
Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,197837,00.html
Vor sechs Jahren zog Julian Eggebrecht mit seiner Firma von Köln nach Kalifornien. Nun ist er weltweit einer der gefragtesten Entwickler virtueller Ballerwelten.
Niemand kann sagen, Julian Eggebrecht hätte nicht wenigstens versucht, seine Eltern glücklich zu machen. Dr. Eva und Prof. Dr. Arne Eggebrecht, Archäologen aus Hildesheim, wünschten sich sehnlichst einen Akademiker-Sohn. Einen mit Doktortitel, mindestens.
So kündigte ihr Spross 1991 schweren Herzens seinen geliebten Job beim deutschen Videospiel-Verlag Rainbow Arts, für den er nach dem Abitur zwei Jahre lang entwickelt hatte. Er packte seine Sachen, zog nach München und begann ein Filmstudium. Immerhin, auch wenn er nur zwei Stunden durchhielt. Dann zogen die dunklen Mächte des Todessterns den eingefleischten "Star Wars"-Fan aus dem Hörsaal an seine Spielkonsole zurück. Eggebrecht wollte keinen Titel. Er wollte Game-Boy werden.
Seine Mutter war geschockt, als er sich für die vermeintliche Ballerbranche entschied. Doch heute ist der Junge aus Hildesheim einer der gefragtesten Videospielentwickler der Welt - und eine der Hauptfiguren im Kampf der Spielkonsolen-Giganten.
Microsoft, Sony und Nintendo liefern sich zurzeit eine Schlacht um Wohn- und Kinderzimmer. Mit Millionenaufwand versucht Microsoft, mit der X-Box die Vorherrschaft von Sonys Playstation 2 und Nintendos neuem Gamecube zu brechen. Erste Folge: ein erbitterter Preiskrieg. Die X-Box, ursprünglich 479 Euro teuer, wird seit Ende April für 299 Euro angeboten.
Mittendrin im Kampf der Konsolen steht Julian Eggebrecht und freut sich. Denn Spielecomputer leben von der Software: Nur wer gute Spiele anbietet, verkauft auch die Kiste drum herum. Factor 5 gilt als Erfolgsschmiede.
Am Firmensitz im kalifornischen San Rafael können sich die Konsolen-Konkurrenten gegenseitig begrüßen, um Eggebrechts Team aus Programmierern, Künstlern und Musikern für ihre Systeme zu gewinnen. "Mittlerweile wähle ich die Angebote so sorgfältig aus wie ein Filmstudio ein Drehbuch", sagt der 33-Jährige, "immerhin verbringe ich ein bis zwei Jahre meines Lebens" mit der Entwicklung eines einzigen Videospektakels.
Den letzten Großauftrag erhielt er von Nintendo - eine Auszeichnung angesichts der Tatsache, dass der japanische Konzern bei der Einführung neuer Konsolen nur selten auf den Spielwitz von Außenstehenden vertraut. Zum prestigeträchtigen Start des Gamecube durfte Eggebrecht das "Star Wars"-Spiel "Rogue Leader" entwerfen. Und nie zuvor hat Eggebrecht mehr geschwitzt.
Factor 5 hatte nur neun Monate Zeit. Und das alles, während gleichzeitig an der Technik der Konsole gebastelt wurde. Bis zur letzten Minute arbeiteten Eggebrecht & Co. an der galaktischen Schlacht des Schurkengeschwaders, 40-mal wurde die Optik des Todessterns überarbeitet. Mit Erfolg. "Rogue Leader" traf den Markt zielgenau wie ein Laserschwert. Auch beim gerade erfolgten Deutschland-Start avancierte es sofort zum meistverkauften Gamecube-Spiel, das sich weltweit
rund zwei Millionen Mal verkaufen dürfte.
Die Fachwelt jubelt. Ein "Sprengfeuer" sei das, ein "neuer Standard für 'Star Wars'-Spiele", urteilte das Online-Magazin "GameSpot". "Gaming Age" stellte fest: "'Rogue Leader' ist das absolut beste Spiel zur Einführung des Gamecube." Und Nintendo-Deutschland-Chef Axel Herr glaubt: "Der Julian ist brillant, ein Genie."
Den Gelobten freut vor allem, dass seine Arbeit langsam auch in Deutschland anerkannt wird. "Videospielen fehlt die kulturelle Akzeptanz, die der Film hat", sagt er. Nicht zuletzt wegen der hier zu Lande abschätzigen Haltung gegenüber Videospielen zog er mit seiner Firma 1996 von Köln nach Kalifornien um. Nun residiert Factor 5 nur wenige Meter neben George Lucas' Skywalker-Ranch - dem nahezu mythischen Ort, mit dem auch für Eggebrecht alles begann.
Mitte der achtziger Jahre tat sich der Teenager mit Hildesheimer Computerhackern zusammen. Als sie den Spielklassiker "BallBlazer" auf dem damals neuen Amiga-Computer umsetzen wollten, rief Eggebrecht erstmals bei Lucasfilm an. Deren deutscher Vertreter Rainbow Arts bot ihm einen Vertrag und bald darauf einen Job an. 1987 gründete er mit vier Freunden Factor 5 und landete erste eigene Hits wie "Turrican".
Eggebrecht entwickelte fortan für Sega und Nintendo, als der erste große Auftrag von LucasArts kam: "Indiana Jones - Greatest Adventures". Der prominente Kunde war beeindruckt. Das Imperium rief immer wieder zurück, bis sich Eggebrecht zum Umzug entschloss.
"Traurig" findet er, dass seine Firma Deutschland verlassen musste. Schuld sei die teils arrogante Missachtung der Deutschen gegenüber dieser Art von Entertainment. Nach dem Schulmassaker von Erfurt ist sein Job indes nicht einfacher geworden. "Natürlich muss eine Debatte stattfinden, doch die muss alle Medien einbeziehen", sagt Eggebrecht.
Er selbst mag keine blutrünstigen Spiele wie "Counterstrike" oder "Resident Evil", doch kennt er viele Fans der Gemetzel. Von denen sei keiner zum Killer geworden. Die Leute könnten zwischen Spiel und Wirklichkeit unterscheiden.
Bizarrer findet Eggebrecht eher den Auftritt der U. S. Army bei der großen "Electronic Entertainment"-Messe vergangene Woche in Los Angeles. Dort stellten bewaffnete Soldaten ein aggressives Ballerspiel vor, das demnächst umsonst auf der Website des Militärs bereitstehen soll.
Zielgruppe: Army-Anwärter, die schon vor ihrer Ausbildung per Videospiel Scharfschützen mimen und alles abknallen können, was sich bewegt. Die Kulisse ähnelt Afghanistan.
MICHAELA SCHIESSL
Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,197837,00.html